Rassismus in Russland:Jagd auf die Opfer
Russlands Bürgerwehren und Polizei arbeiten bei der Verfolgung von Migranten Hand in Hand. Kaum ein Monat vergeht ohne einen rassistischen Mord. Dieser Hass zwischen den Ethnien wird zur Bedrohung für den Vielvölkerstaat Russland.
Ein Kommentar von Julian Hans, Moskau
Um nach fremdenfeindlichen Ausschreitungen dafür zu sorgen, dass sie sich bei nächster Gelegenheit todsicher wiederholen, gibt es ein probates Mittel: Politiker müssen Verständnis für die Randalierer zeigen, die Polizei muss dem Mob versprechen, Migranten künftig härter anzupacken, und Kirchenvertreter müssen von der Bedrohung der eigenen Kultur schwadronieren.
Genau das ist nach den Krawallen in Russland am Sonntag geschehen. Die ansonsten so wehrhafte russische Führung, die Schlauchboot-Attacken gegen Bohrinseln und Tänze in Kirchen mit aller Härte verfolgt, hat angesichts der Angriffe rechter Schläger Verständnis für den Volkszorn geäußert und sogleich die ersten Razzien gegen Migranten eingeleitet.
Schon lange arbeiten in Russland Bürgerwehren und die Polizei bei der Jagd auf Migranten Hand in Hand. Kaum ein Monat vergeht, in dem nicht irgendwo ein Tadschike, Tschetschene oder Ingusche aus Fremdenhass ermordet wird. Dieser Hass zwischen den Ethnien bedroht den Vielvölkerstaat Russland viel mehr als ein paar Liberale, die angeblich als Agenten der USA in Moskau demokratische Zersetzungsarbeit leisten.
Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion ist Russland kein Imperium mehr aber auch kein Nationalstaat. Ohne den Kommunismus fehlt die Idee, die dieses Gebilde zusammenhält. Fremdenfeindliche Ausbrüche sind auch ein Zeichen dieser Identitätskrise.