Militärhilfe:Tag der langen Listen

Militärhilfe: Teil der umfangreichen neuen Milliarden-Lieferung: Die Ukraine erhält 90 Schützenpanzer des Typs "Stryker" aus US-Beständen.

Teil der umfangreichen neuen Milliarden-Lieferung: Die Ukraine erhält 90 Schützenpanzer des Typs "Stryker" aus US-Beständen.

(Foto: Jung Yeon-Je/AFP)

Bei ihrem Treffen in Ramstein präsentieren die westlichen Unterstützer der Ukraine, was sie dem bedrängten Land alles an Militärgerät überlassen. Nur etwas fehlt.

Von Matthias Kolb

Lloyd Austin hat 41 Jahre in der US-Armee gedient, aber Pathos ist dem ehemaligen Vier-Sterne-General und heutigen Verteidigungsminister nicht fremd. "Das ukrainische Volk blickt auf uns, der Kreml blickt auf uns und auch die Geschichte hat uns im Blick", sagt er zu Beginn der Sitzung der internationalen Ukraine-Kontaktgruppe. Zum dritten Mal seit Beginn des russischen Angriffskrieges begrüßt Austin Verteidigungsminister und hochrangige Militärvertreter aus etwa 50 Ländern, die Kiew im Kampf gegen Russland unterstützen, auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein. Links neben ihm sitzt diesmal der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow. Er soll der Runde hinter verschlossenen Türen erläutern, welche Waffen sie am dringendsten brauchen.

Die westlichen Partner sollen sich dann möglichst eng abstimmen, wer was wann und wie viel liefert, damit sich die Ukraine bestmöglich gegen Moskau verteidigen kann. Auch Fragen des kontinuierlichen Nachschubs und der Logistik sowie die Lieferung von Ersatzteilen werden von Experten beraten. Effizienz und Schnelligkeit, das sind die Ziele.

Zur Choreografie der Ramstein-Sitzungen gehört die Präsentation langer Listen mit militärischem Gerät für die Ukraine. 2,3 Milliarden Euro umfasst das aktuelle Paket der USA, das Austin stolz vorstellt. Die Ukraine erhält zu den 50 bereits zugesicherten Exemplaren 59 weitere Schützenpanzer vom Typ Bradley. Deren 25-Millimeter-Maschinenkanone kann auch panzerbrechende Uranmunition verschießen. Zudem liefern die USA gepanzerte Mannschaftstransporter vom Typ Stryker sowie Munition für ihre Raketenwerfer-Artilleriesysteme (Himars), acht Avenger-Luftverteidigungssysteme, Zehntausende Artilleriegranaten und 2000 Panzerabwehrraketen. Das Hilfspaket erhöht die Gesamtsumme der US-Unterstützung auf knapp 25 Milliarden Euro.

Auch andere Regierungen hatten vorab mitgeteilt, wie sie die Ukraine weiter unterstützen wollen. So tritt Großbritannien 14 Kampfpanzer vom Typ Challenger 2 ab. Estland verspricht weitere Haubitzen, Munition und Granatwerfer im Wert von 113 Millionen Euro - insgesamt beträgt die estnische Hilfe für Kiew seit Ausbruch des Krieges mehr als ein Prozent der Wirtschaftsleistung. Aus Lettland kommen Hubschrauber und Drohnen und der Nato-Kandidat Finnland kündigt weitere 400 Millionen Euro Militärhilfe an. Aus Sicherheitsgründen nenne man keine Details, aber es geht um "schwere Artillerie und Munition".

Wie Polen und Spanien hat auch Finnland öffentlich erklärt, Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 abgeben zu wollen - wenn Deutschland dies genehmigen würde. Die Niederlande sind laut Verteidigungsministerin Kajsa Ollongren bereit, jene Länder mit Geld zu unterstützen, die Leos an Kiew liefern wollen. Das Beispiel der Kampfpanzer zeigt die Grenzen der Treffen des Ramstein-Formats, die seit Ende April fast jeden Monat stattfinden und auch virtuell oder in Brüssel abgehalten werden: Längst nicht alle Wünsche der ukrainischen Politiker und Militärs werden erfüllt. Vorab hatte Verteidigungsminister Resnikow mit Außenminister Dmytro Kuleba eine Erklärung verbreitet, die sich mit "Wir brauchen Leopard-Panzer und zwar sofort" zusammenfassen lässt. Doch am Nachmittag wird klar: Die Entscheidung wird vertagt.

Weitere Ziele: Mehr Munition und Ausbildung

Debattiert wurde in Ramstein auch die Frage, wie gerade die Europäer künftig mehr Waffen und Munition produzieren können. Die nationalen Rüstungsdirektoren der Nato-Mitglieder hatten darüber bereits mehrfach beraten, nun setzte Austin das Thema auf die Agenda dieses Treffens.

Die Industrieproduktion in diesem Bereich zu erhöhen, dafür wirbt auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, der nur als Teilnehmer nach Rheinland-Pfalz gereist war. Im Frühjahr 2022 war bewusst entschieden worden, dass die USA als Organisator agieren - und eben nicht die Nato. Dies soll der Propaganda Moskaus entgegenwirken, dass Russland in der Ukraine auch gegen das Verteidigungsbündnis kämpfe. Und natürlich gilt weiterhin: Die Nato will sich nicht in den Konflikt hineinziehen lassen.

Enge Absprachen gibt es auch bei der Ausbildung ukrainischer Soldaten. Die EU hat dafür ebenso eine eigene Mission gestartet wie Großbritannien: Mit internationalen Partnern will London 2023 etwa 20 000 Rekruten trainieren. Anfang der Woche besuchte US-Generalstabschef Mark Milley den Truppenübungsplatz des US-Heeres in Grafenwöhr. Dort werden seit Jahresbeginn 500 ukrainische Soldaten an modernen US-Waffen, Artilleriesystemen, Fahrzeugen und Panzern ausgebildet. Die Absolventen des Lehrgangs sollen nicht nur lernen, russische Angriffe möglichst effektiv zu stoppen. Sie sollen auch darauf vorbereitet werden, jene Gebiete zurückzuerobern, die Russland seit Februar eingenommen hat, sagte Milley der Nachrichtenagentur AP.

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