Ramsan Kadyrow:Putins Soldat

Ramzan Kadyrov

Macht durch Aufrufe zur Sippenhaft von sich reden: Ramsan Kadyrow, Oberhaupt der russischen Teilrepublik Tschetschenien.

(Foto: Musa Sadulayev/AP)
  • Das Oberhaupt der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, setzt seinen Ruf als Gewaltherrscher gezielt ein.
  • Er ruft öffentlich zur Bestrafung von Verwandten ihm feindlich gesinnter Kämpfer auf, nun gibt es sogar einen Gesetzesentwurf, der dies vorsieht.
  • Außerdem fällt er immer wieder mit Solidaritätsbekundungen für Wladimir Putin oder Drohungen an seine Kritiker auf.

Von Julian Hans, Moskau

Der Mann, der sich selbst den "weltweit größten Feind der Terroristen" nennt, konnte an den Gedenkfeiern für die ermordeten Charlie-Hebdo-Mitarbeiter nur eingeschränkt Gefallen finden. Er begrüße "die einmütige Verurteilung des Terrors durch die Staatschefs", erklärte Ramsan Kadyrow am Sonntag. "Aber um welchen Terrorismus ging es ihnen eigentlich? Nur den in Frankreich oder den auf der ganzen Welt?" Dann hätten sie doch, bitte, auch anlässlich des Todes von "Hunderttausenden Afghanen, Syrern, Ägyptern, Libyern, Jemeniten, Irakern" einen Marsch veranstalten sollen.

Das Oberhaupt der russischen Teilrepublik Tschetschenien spricht mit Vorliebe über Instagram zur Welt. Das soziale Netzwerk ist in Russland vor allem bei jungen Frauen beliebt, die dort Schnappschüsse von sich selbst, ihren Reisen und ihren Shopping-Erfolgen teilen. Der 38 Jahre alte Kadyrow hat es ausgewählt, um dort Fotos zu veröffentlichen, die ihn beim Schmusen mit Raukatzen zeigen. Bisweilen erscheinen dort aber auch Erklärungen, die gewaltige Folgen nach sich ziehen.

Ergebenheitsbekundungen an Wladimir Putin

Nachdem in der Nacht zum 4. Dezember Angreifer ein Gebäude in Grosny besetzt und 14 Angehörige der Sicherheitskräfte getötet hatten, schrieb er: "Wenn ein Kämpfer in Tschetschenien einen Polizisten ermordet, wird seine Familie unverzüglich ausgewiesen, und ihr Haus dem Erdboden gleich gemacht." Es verging keine Woche, bis mindestens sechs Häuser von Verwandten der mutmaßlichen Attentäter Nachts von maskierten Männern verwüstet und angesteckt wurden. Als Vertreter der Menschenrechtsorganisation Memorial in Tschetschenien darüber berichteten, drohte ihnen Kadyrow mit Ausweisung.

Seit der Attacke Anfang Dezember tritt der Tschetschenen-Präsident immer öfter in den Vordergrund, sei es mit Ergebenheitsbekundungen an Wladimir Putin oder mit Drohungen an dessen Kritiker. Mitte Dezember fragte die prominente Journalistin Xenia Sobtschak bei einer im staatlichen Fernsehen übertragenen Pressekonferenz Putin, was dieser davon halte, dass Kadyrow zur Bestrafung Verwandter aufrufe und sich damit über das russische Gesetz stelle, das Sippenhaft verbietet.

Alle müssten sich an das Gesetz halten, antwortete Putin. Allerdings sei das "Leben manchmal komplizierter". Bei Kadyrows Aufruf habe es sich wohl um eine "emotionale Äußerung" gehandelt.

Das staatlich gelenkte Fernsehen startete danach eine neue Schmutzkampagne gegen Sobtschak. Wenige Tage nach der Pressekonferenz wurde in Tschetschenien mindestens ein weiteres Haus von Verwandten mutmaßlicher Attentäter zerstört. An diesem Montag nun brachte das tschetschenische Parlament einen Gesetzesentwurf in die russische Staatsduma ein, der eine Bestrafung von Eltern und volljährigen Kindern von Terroristen vorsieht, wenn sie diese unterstützt haben.

Kadyrow erfüllt gerne die Rolle einer Repressions-Avantgarde, seinen Ruf als Gewaltherrscher setzt er gezielt ein. Ende Dezember überreichte der Chef des Sicherheitsrats und ehemalige Geheimdienstchef Nikolaj Patruschew ihm eine Medaille "für Verdienste um die nationale Sicherheit". Vier Tage später ließ Kadyrow mehrere Tausend Angehörige der Sicherheitskräfte im Stadion von Grosny einen Eid auf Putin schwören.

"Wir sind kämpfende Infanterie"

"Wir sind die kämpfende Infanterie von Wladimir Putin" rief er den Polizisten zu. "Wir bitten den nationalen Anführer Russlands, uns als das Freiwilligenbataillon des Oberkommandierenden zu betrachten." Das Land habe zwar eine reguläre Armee, Luftwaffe, Flotte und Atomwaffen. "Aber es gibt Aufgaben, die man nur mit Freiwilligen erledigen kann."

Die regierungskritische Nowaja Gaseta berichtete, die Polizisten hätten eine Erklärung unterschreiben müssen, in der sie sich Putin, Kadyrow und Innenminister Wladimir Kolokolzew persönlich unterstellen und sich verpflichten, auf eigene Kosten eine schwarze Uniform zu kaufen, wie sie die persönlichen Einheiten Kadyrows tragen. Etwa fünfhundert hätten sich geweigert, berichtet die Zeitung. Sie seien entlassen worden.

Kadyrow erklärte Chodorkowskij zu seinem "persönlichen Feind"

Mehrfach bekundete Kadyrow öffentlich seine Bereitschaft, als Freiwilliger in der Ukraine zu kämpfen und dafür sogar seinen Posten als Oberhaupt Tschetscheniens aufzugeben. Schon im Sommer bestätigte er, dass Tschetschenen im Donbass kämpfen, bestritt aber, dass sie auf seinen Befehl in den Kampf gegen die ukrainischen Streitkräfte gezogen sind.

Die eingeschränkte Solidaritätsbekundung an Paris erwies sich indes nur als Einleitung für Drohungen, die sich kaum von denen der Islamisten unterscheiden. Nachdem Michail Chodorkowskij dazu aufgerufen hatte, als Zeichen der Solidarität die Mohammed-Karikaturen nachzudrucken, erklärte Kadyrow den im Exil lebenden ehemaligen Chef des Ölkonzerns Yukos zu seinem "persönlichen Feind". Er sei "sicher, dass sich in seiner geliebten Schweiz gesetzestreue Bürger finden, die den flüchtigen Verbrecher zur Verantwortung ziehen". Die Strafe werde "hart und empfindlich" ausfallen.

Dem Chefredakteur von Echo Moskaus, Alexej Wenediktow, drohte Kadyrow ebenfalls. Der liberale Radiosender sei "ein Sprachrohr des Antiislamismus". Die Frage des Senders an sein Publikum - soll man Mohammed-Karikaturen drucken oder nicht? - sei "provakant" und säe Hass zwischen den Völkern. Niemand dürfe den Propheten beleidigen, "die Staatsmacht muss das Radio zur Ordnung rufen".

Der Chefredakteur kündigte an, wegen der Drohung Anzeige zu erstatten. Grund, sie ernst zu nehmen, hat er: Angehörige und ehemalige Kollegen von Anna Politkowskaja halten Kadyrow für den Auftraggeber des bis heute nicht aufgeklärten Mordes an der Journalistin.

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