Ramelow erster linker Ministerpräsident:Große Geste eines Hassobjektes

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Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) spricht am 5. Dezember 2014 im Landtag in Erfurt (Thüringen). Ramelow ist in der Landtagssitzung im zweiten Wahlgang zum ersten Ministerpräsidenten der Partei Die Linke gewählt worden. (Foto: dpa)
  • Mit 46 Stimmen wird der Linke Bodo Ramelow im Landtag zum Ministerpräsidenten Thüringens gewählt - eine Punktlandung. Zum ersten Mal führt seine Partei damit eine Landesregierung.
  • Sehr persönlich entschuldigt er sich bei den Opfern der Stasi und bittet um Fairness im Umgang mit dem jeweiligen politischen Gegner.
  • Oppositionsführer Mohring (CDU) kündigt an, Ramelow weiter nichts schenken zu wollen. Die rechtspopulistische AfD lässt Anstand vermissen.

Von Thorsten Denkler, Erfurt

Wiebke Muhsal scheint ein Problem mit Bodo Ramelow zu haben. Und zwar ein gewaltiges. Der Mann, der hier im Landtag gleich im zweiten Wahlgang zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt wird, lässt ihr kurz zuvor galant den Vortritt, als er sich auf den Weg zur Wahlurne macht.

Höflich verbeugt er sich vor ihr und weist ihr mit beiden Armen den Weg an ihm vorbei. Die verdreht die Augen und schaut, als hätte sie gerade vom Teufel persönlich ein unmoralisches Angebot bekommen. Bodo Ramelow, Ministerpräsident von Thüringen. Daran muss sich nicht nur die AfD jetzt erst mal gewöhnen.

Im ersten Wahlgang hat es einer oder eine noch spannend gemacht. 45 statt der notwendigen 46 Stimmen. Ramelow verliert seine gute Laune nicht. Er lacht und schäkert mit Abgeordneten, die auch im zweiten Wahlgang an ihm vorbeidefilieren müssen. Und das sind fast alle. So weit links sitzt er. Und rechts hinter seiner Fraktion sind die Wahlkabinen, in die die Abgeordneten namentlich gerufen werden.

Ein knapper Wahlsieg

Vor den Kabinen steht ein Tisch, um den sich die Wahlhelfer versammeln. Ein orangenes Schwämmchen in runder, grüner Dose steht bereit, damit sie sich die Finger befeuchten können. Es soll nicht an zu trockenen Fingern liegen, dass ein Wahlzettel nicht mitgezählt wird. Ist ja auch verdammt knapp alles.

Alle Stimmen sind ausgezählt. Ein erster Beamter der Landtagsverwaltung prüft das Ergebnis, ein zweiter Beamter, eine dritte Beamtin. Dann wird es dem Parlamentspräsidenten Christian Carius gereicht. 91 abgegebene Stimmen, eine ungültig, also 90 gültige Stimmen.

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Für Gegner ist Bodo Ramelow ebenso schwer einzuordnen wie für seine Parteifreunde. Doch eins ist sicher: Der Mann hat in seinem Leben schon viele Kämpfe gewonnen. Gewinnt er auch diesmal, schreibt er Geschichte - als erster Ministerpräsident der Linken.

Von Thorsten Denkler

"Mit Ja haben gestimmt 46 Abge..." Dann ist nur noch der Jubel in den Fraktionen von Linken, SPD und Grünen zu hören. 46, das ist eine Punktlandung. Mehr haben sie nicht, weniger dürfen sie nicht. Eine Stimme Mehrheit hat das erste Linksbündnis in Deutschland, das von einem linken Ministerpräsidenten geführt wird.

"So wahr mir Gott helfe!"

Die Vereidigung. Ramelow verspricht, dem Land zu dienen. Die Gottesformel lässt er weg. Er, der evangelische Christ. Am Morgen war er noch im Raum der Stille zur Morgenandacht. Er wollte sich danach nicht fotografieren lassen. "Nicht nach der Andacht", bat er. Und jetzt lässt er die Gottesformel weg. Aus der CDU brüllt einer dazwischen: "So wahr mir Gott helfe!"

Als wenn das noch helfen würde. Für manche in der Union wird da vorne gerade ein Albtraum wahr. Ein Linker, ein SED-Nachfolger, ein Kommunist. Ministerpräsident in Thüringen! 25 Jahre hat die CDU regiert. Vorbei. Und jetzt das. Aber so ist das in der Politik, wo der Wähler nicht hilft, hilft Gott auch nicht mehr.

Ramelow tritt an das Rednerpult. Seine ersten Worte im neuen Amt. Für Fairness wirbt er. Für einen guten Umgang miteinander. Auch, um die Menschen im Land wieder für Politik zu interessieren. Und nicht dafür zu sorgen, dass sich immer mehr abwenden.

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Bodo Ramelow ist Deutschlands erster linker Ministerpräsident. Im zweiten Wahlgang stimmt die Koalition aus Rot-Rot-Grün einstimmig ab.

Er bedankt sich bei Christine Lieberknecht, seiner Amtsvorgängerin, deren Büro er jetzt beziehen wird. Ramelow zitiert das Lebensmotto des verstorbenen früheren Bundespräsidenten Johannes Rau: "Versöhnen statt spalten". Daran wolle er sich messen lassen.

Ramelow entschuldigt sich bei Stasi-Opfern

Dann wird er persönlich. Auf der Tribüne, sagt er, habe ein Freund Platz genommen. Andreas Möller, einst von der Stasi in den Knast gesperrt. Es sei ein langer Weg gewesen, bis sie Freunde wurden. Möller habe ihm immer wieder vorgeworfen, in der falschen Partei sein. Oft hätten sie darüber diskutiert. Wer weiß, wie oft sich Ramelow bei Möller für das Unrecht entschuldigt hat, das ihm widerfahren ist.

Jetzt aber steht nicht nur ein alter Freund am Rednerpult. Jetzt steht der gerade gewählte Ministerpräsident des Landes Thüringen da vorne. Und sagt: "Dir und allen Deinen Kameraden kann ich nur die Bitte um Entschuldigung entgegenbringen." Es ist die große und wichtige Geste eines Mannes, der vielen mehr ist, als nur ein politischer Gegner. Eher ein Hassobjekt.

Mit oder ohne Anstand

Mike Mohring, Chef der CDU-Fraktion, wird Ramelows ärgster Gegner sein in den kommenden Jahren. Ramelow spricht ihn direkt an. Er und Ramelow hätten sich "nichts geschenkt" in der Vergangenheit. Mohring bestätigt: "Das wird auch so bleiben", ruft er dazwischen. Gelächter im Raum. Ramelow legt Wert darauf, dass es immer fair zugegangen ist. Er bittet auch weiterhin um diese Fairness. Von Mohring wird er sie bekommen.

Von der AfD, der anderen Oppositionspartei, eher nicht. Deren Fraktionschef Björn Höcke hat als einziger der Fraktionschefs im Landtag Ramelow nicht zur Wahl gratuliert. Er blieb einfach sitzen. Die Sache mit dem Anstand müssen einige dort wohl noch lernen.

Auch das dürfte ein Grund sein, weshalb auch Mohring über die schnelle Entscheidung schon im zweiten Wahlgang froh gewesen sein müsste. Im dritten Wahlgang hätte er auf die Stimmen der Rechtsaußen vertrauen müssen, um Ramelow noch zu verhindern.

Wer es aber nicht mal aus Respekt vor dem Amt schafft, dem Ministerpräsidenten die Hand zu reichen, mit so einem sollte auch Mohring nichts zu tun haben wollen.

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