Süddeutsche Zeitung

Nordkorea-Krise:Merkel will kein Kriegsgeschrei

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Von Nico Fried, Berlin

Es war beim G-7-Gipfel Ende Mai in Taormina auf Sizilien, als der japanische Ministerpräsident seinen Kollegen aus dem Westen eine kleine Lektion zum Thema Nordkorea erteilte. Shinzō Abe soll, so war hinterher zu hören, höchstpersönlich Kartenmaterial erläutert haben, auf dem die letzten Erkenntnisse zu möglichen Reichweiten nordkoreanischer Raketen eingezeichnet waren. Die Bundeskanzlerin zeigte sich hinterher jedenfalls beeindruckt vom Vortrag des Japaners. Im Abschlussdokument wurde der Konflikt einhellig als "Top-Priorität auf der internationalen Agenda" bezeichnet.

Angela Merkel hat sich in Fragen des Koreakonflikts stets eher zurückgehalten. Das liegt aber sicher nicht daran, dass für Europa keine unmittelbare Bedrohung existiert: Auch wenn Deutschland nicht in Reichweite nordkoreanischer Raketen liegt, hätte eine militärische Eskalation der fernen Krise in jedem Fall weltweite Auswirkungen. Im Falle eines Angriffs auf die Pazifikinsel Guam, wie er jetzt in Rede steht, gälte zwar formal nicht die Beistandspflicht aus Artikel 5 des Nato-Vertrages. Politisch aber stünden auch die europäischen Bündnispartner in der Mitverantwortung. Ganz zu schweigen von den möglichen wirtschaftlichen Verwerfungen, die ein Krieg im Pazifik verursachen würde.

Kritiker der Kanzlerin könnten einen möglichen Bedeutungsverlust Merkels zum Thema machen: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat gerade mit seinem US-Kollegen Donald Trump am Telefon über den Konflikt gesprochen, ein vergleichbarer Austausch mit Merkel wurde bislang nicht vermeldet. Im Kanzleramt ist man jedoch realistisch genug, den europäischen Einfluss nicht zu überschätzen.

Die Notwendigkeit einer diplomatischen Lösung

Auch zwischen Merkel und ihrem SPD-Herausforderer Martin Schulz gibt es keine Differenzen in der Koreafrage. Im Gegenteil, Schulz sprach sich am Sonntag im ZDF für Geschlossenheit aus: "Es gibt Situationen, da muss ein Volk zusammenhalten", sagte er. "Deshalb kann sich jeder Deutsche darauf verlassen, dass ich eine solche Krise nicht zum Wahlkampfinstrument mache." Allerdings nannte Schulz den US-Präsidenten wegen seiner kriegerischen Rhetorik "verantwortungslos".

Auch zwischen Merkel und Außenminister Sigmar Gabriel gibt es in der Nordkoreafrage Unterschiede allenfalls in Nuancen. Betont wird die Notwendigkeit einer diplomatischen Lösung. Wichtig sei die internationale Abstimmung, besonders zwischen den USA und China, aber auch mit Südkorea und Japan, so Merkel. Und Gabriel sagte der Bild am Sonntag: "Jetzt muss die Stunde der Diplomatie sein. Wir fordern deshalb auch Peking und Moskau auf, ihren Einfluss auf Nordkorea zu nutzen, um eine Spirale hin zu einer bewaffneten Konfrontation zu verhindern."

Unterschiede zwischen Merkel und Gabriel gibt es im Nachdruck der Appelle, die Drohungen zwischen Washington und Pjöngjang zu stoppen - was auch Kritik an Trumps "Feuer und Wut"-Rhetorik bedeutet. Gabriel hatte bereits Mitte vergangener Woche die Sprache Trumps kritisiert. Merkel zog nach, sprach aber nur von einer "Eskalation der Sprache", die nicht zur friedlichen Lösung beitragen werde.

Am deutlichsten unterscheiden sich die Kanzlerin und ihr Minister in der Intensität, mit der sie das Thema öffentlich behandeln. Merkel hat sich bislang nur einmal geäußert und nüchtern davon gesprochen, dass es keine militärische Lösung geben könne. Gabriel äußerte sich schon dreimal, wobei er nur beim ersten Mal ausdrücklich die Möglichkeit eines Kriegs mit Atomwaffen ins Spiel brachte.

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Quelle:
SZ vom 14.08.2017
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