Rainer Brüderle:Minister Mittelmaß in Nöten

Die FDP erleidet ein totales Wahldebakel und erste Parteifreunde fordern Rainer Brüderles Abgang. Ein Überblick über eine Polit-Karriere, die bislang kein peinlicher Ausrutscher bremsen konnte.

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(Foto: dapd)

Lange Gesichter bei der FDP in Rheinland-Pfalz am Abend der Landtagswahl: Rainer Brüderle, Bundeswirtschaftsminister und FDP-Landesvorsitzender mit seinem Spitzenkandidaten Herbert Mertin (links). Mertin war bislang auch Fraktionschef der Liberalen im Mainzer Landtag und verliert diesen Job - denn die Freidemokraten sind in Mainz nun außerparlamentarische Opposition. Auch Rainer Brüderle hat inzwischen erste Konsequenzen aus der Wahlschlappe gezogen: Nach 28 Jahren verzichtet er auf eine erneute Kandidatur als Landesvorsitzender in Rheinland-Pfalz. Der Pfälzer war von Parteifreunden mit für die Wahlniederlagen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz verantwortlich gemacht worden: Laut einem Protokoll hat Brüderle beim Lobbyverband BDI die Atomwende der Kanzlerin mit Wahltaktik begründet, was dem Ruf seiner ohnehin angezählten FDP weiter schadete. Das ficht den Pfälzer vermutlich nicht an, er will Wirtschaftsminister bleiben. "Natürlich, macht doch Spaß", sagte er auf eine entsprechende Frage. Außerdem ist Brüderle schon in einige Fettnäpfe getreten, ohne dass es ihm geschadet hätte. Eine politische Karriere in Bildern.

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Endlich Wirtschaftsminister! Zum vierten Mal hatte der FDP-Politiker 2009 eine Bundestagswahl in der Hoffnung bestritten, danach das Bundeswirtschaftsministerium beziehen zu können. Zwölf Jahre hatte er auf den Job gewartet, bis es nun endlich klappte. Doch nach seinem Amtsantritt im Herbst 2009 lief erstmal einiges schief.

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Presse und auch Kollegen aus der Politik sparen nicht mit Häme: "Brüderle Leichtfuß" nennen sie ihn, "schnelles Brüterle" oder auch "Minister Little Brother". Hier rächt sich, dass Brüderle einst einen Spitznamen selbst erfunden hatte: Seinen Vorvorgänger Michael Glos (CSU) nannte Brüderle "Problembär" - eine Zeit lang scheint der Name auch zu ihm gut zu passen.

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Auf einer Brasilienreise im Mai 2010 plauderte Brüderle konkrete Zahlen zu den Kosten der Griechenlandkrise aus, während in Berlin noch eisernes Stillschweigen herrschte. Bundeskanzlerin Angela Merkel war sauer - und schickte kurz darauf Innenminister Thomas de Maizière als Vertretung für den kranken Finanzminister Wolfgang Schäuble nach Brüssel. Eigentlich wäre es Brüderles Aufgabe gewesen, an den Verhandlungen über das Euro-Rettungspaket teilzunehmen.

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Auch Brüderles kategorische Ablehnung von Staatshilfen für den strauchelnden Autokonzern Opel hatte ihm zunächst einen Rüffel von Kanzlerin Angela Merkel eingebracht. Das letzte Wort in dieser Angelegenheit sei noch nicht gesprochen, sagte Merkel. Letztlich setzte sich Brüderle aber durch, die Opel-Mutter GM verzichtete auf Unterstützung.

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Auch mit seinem "Nein" zur elektronischen Datenspeicherung, zur Vermittlung im Karstadt-Streit und zum Sparpaket schärfte Rainer Brüderle sein Profil. Das Erfolgsrezept funktioniert aber nur, so lange Angela Merkel nicht "Basta" sagt.

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Seine politische Karriere startete der in der Pfalz aufgewachsene Volkswirt in Mainz. 1983 wurde Brüderle rheinland-pfälzischer FDP-Vorsitzender, 1991 schmiedete er mit Rudolf Scharping eine sozialliberale Landesregierung, die Kurt Beck (rechts) von 1995 an weiterführte. Beck und Brüderle wird eine herzliche Zuneigung zugeschrieben: Beide sind Gemütsmenschen, Pfälzer und Anhänger des FC Kaiserslautern.

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Zuständig für Wirtschaft, Verkehr, Weinbau und Landwirtschaft erarbeitete sich Brüderle einen Ruf als Minister Mittelstand. Kritik gab es jedoch an seiner Art, dessen Interessen zu vertreten. Dass der Liberale - entgegen der subventionsfeindlichen FDP-Linie - die staatlichen Hilfen für Weinbau an Steilhängen um mehr als 200 Prozent erhöhte, brachte ihm sogar eine Rüge der Landeszentralbank ein.

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1998 fand Brüderle jedoch, er habe nun genug Weinköniginnen geküsst, ihm schien der Sinn nach Höherem zu stehen: Brüderle verabschiedete sich aus Mainz in Richtung Berlin - in den Bundestag. Dort fand er sich allerdings nach der schwarz-gelben Niederlage auf der Oppositionsbank statt am Kabinettstisch wieder.

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(Foto: Bernd Weißbrod/dpa)

Beim FDP-internen Machtkampf zwischen dem Generalsekretär Guido Westerwelle und dem Parteichef Wolfgang Gerhardt stellte sich Brüderle auf Gerhardts Seite. Es war aber Westerwelle, der 2001 das Duell für sich entschied. Spekulationen, dass auch Brüderle selbst Ambitionen auf den Parteivorsitz gehabt hätte, widersprach er.

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(Foto: ag.dpa)

Die kommenden Jahre verbrachte der heute 65-jährige als "Wirtschaftsminister im Wartestand". Doch weder 2002 noch 2005 wurde etwas aus diesen Träumen. Erst seit September 2009 hat Brüderle seinen Traumjob. Dass Brüderle, der inzwischen Vize-Parteichef geworden war, sich durchaus auch den FDP-Vorsitz vorstellen konnte, wurde Ende 2010 deutlich. Damals brach angesichts des Umfragetiefs eine Führungsdebatte um Guido Westerwelle los. Als Alternative wurde der Wirtschaftsminister genannt, der sich als heimlicher FDP-Star im Kabinett fühlte - mit Verweis auf den "Wirtschaftsaufschwung XXL". Westerwelle blieb im Amt - und muss nun Brüderle wohl nicht mehr fürchten: Seit den durchgesickerten Brüderle Moratoriums-Äußerungen richtet sich der Unmut des Parteivolks vom angezählten Vizekanzler zusehends auf den Wirtschaftsminister. Der Chef der Julis, des FDP-Nachwuchses, forderte bereits Brüderles Abgang. Brüderle hat schon manches Missgeschick ausgesessen. Ob es ihm auch diesmal gelingt, politisch zu überleben, ist unklarer denn je.

© sueddeutsche.de/Barbara Vorsamer - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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