Süddeutsche Zeitung

EU - Schweiz:Spitzen nach dem Spitzentreffen

Kommissionschefin von der Leyen redet mit dem Schweizer Präsidenten über das umstrittene Abkommen zwischen Brüssel und Bern. Beide Seiten beklagen danach, dass die andere zu wenig Kompromissbereitschaft zeige.

Von Björn Finke und Isabel Pfaff, Bern/Brüssel

Ursula von der Leyen sollte Recht behalten: "Bei allen Verhandlungen ist die letzte Runde immer am schwierigsten abzuschließen", sagte die Kommissionspräsidentin am Freitag in Brüssel vor ihrem Treffen mit dem Schweizer Bundespräsidenten Guy Parmelin. Das Duo besprach anderthalb Stunden, welche Fortschritte seit Januar bei Nachverhandlungen zum umstrittenen Rahmenabkommen zwischen der EU und der Schweiz gemacht wurden.

Ein Kommissionssprecher sagte hinterher, dass die Unterredung zwar Klarheit über die Wünsche der Schweiz gebracht habe, doch deren Position für die EU "nicht akzeptabel" sei. Zudem beklagte er, dass sich die Regierung in Bern nicht genug bewege: "Wir sind bereit, Kompromisse zu finden, aber wie bei allen Verhandlungen brauchen wir Flexibilität auf beiden Seiten." Die Bedeutung von Flexibilität hatte auch seine Chefin von der Leyen bei ihrem Auftritt betont.

Hintergrund des Streits ist, dass die EU ihr Verhältnis zur Schweiz als zu kompliziert ansieht. Das Land genießt weitgehenden Zugang zum Binnenmarkt, und geregelt wird das alles in gut 120 Verträgen. Die will Brüssel in einem Rahmenabkommen bündeln; der Schritt würde gleichzeitig dazu führen, dass sich diese Vereinbarungen praktisch automatisch aktualisieren, wenn es Neuerungen auf EU-Ebene gibt. Seit 2014 wurde über das Abkommen diskutiert, Ende 2018 war ein Entwurf fertig. Doch kurz darauf meldete Bern neue Bedenken an, weswegen das Abkommen zur Verärgerung Brüssels bis heute nicht ratifiziert ist.

Seit diesem Januar laufen nun Gespräche darüber, ob die EU mit Klarstellungen bei drei heiklen Punkten den Weg zur Annahme ebnen kann: bei der Frage der Kontrolle von staatlichen Beihilfen, beim Schutz der hohen Schweizer Löhne und bei der Personenfreizügigkeit. Der Kommission zufolge schlug Präsident Parmelin vor, diese strittigen Bereiche aus dem Rahmenabkommen auszuklammern - was die Behörde rundheraus ablehnt.

Auch Bundespräsident Parmelin sagte nach dem Treffen, dass man immer noch weit auseinanderliege. Das Gespräch habe nicht die erhofften Fortschritte gebracht, aber man habe beschlossen, in Kontakt zu bleiben. Insgesamt klang Parmelin überraschend verhärtet: Die Schweiz habe mit der Bereitschaft zur dynamischen Rechtsübernahme bereits den zentralen Wunsch der EU erfüllt, jetzt erwarte man Kompromisse Brüssels bei den drei strittigen Punkten. Schließlich, so Parmelin, müsse der Vertrag am Ende "ausgewogen" sein, damit ihn die Regierung im Parlament, bei den Kantonen und beim Volk durchbringen könne.

Der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab äußerte sich enttäuscht: Es sei "bedauerlich", dass Parmelin "offenbar keine Kompromissbereitschaft zur Lösung der Streitpunkte im Rahmenabkommen" gezeigt habe, sagte der Vorsitzende der für die Schweiz zuständigen Parlamentsgruppe: "Insofern ist leider eine wichtige Chance verpasst worden."

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