RAF:Verschwörungstheorie

Ein Mann mit Suggestionskraft: Michael Buback bekräftigt unbeirrt den Mordvorwurf gegen Ex-Terroristin Verena Becker - obwohl eine seiner Behauptungen immer brüchiger wird.

Wolfgang Janisch, Stuttgart

Es ist ein seltsamer Prozess, der sich seit nun sieben Wochen im Stammheimer Gerichtssaal dahinschleppt. Angeklagt ist eigentlich die frühere RAF-Terroristin Verena Becker; wegen Mordes, weil sie beim tödlichen Anschlag auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback und dessen Begleiter 1977 eine maßgebliche Rolle gespielt haben soll - ohne jedoch am Tatort gewesen zu sein, so meint die Bundesanwaltschaft. Also ein Vorwurf, der die Aufklärung der RAF-Strukturen oder der Anschlagsvorbereitung erfordert. Doch nicht die Anklage der Bundesanwaltschaft bestimmt bisher die Agenda, sondern die Thesen von Michael Buback, der als Nebenkläger Licht ins Dunkel um den Mord an seinem Vater zu bringen gedenkt.

Ex-RAF Terroristin Verena Becker Michael Buback

Die Thesen des Nebenklägers Michael Buback bestimmen die Agenda in Stammheim weitaus mehr als die offizielle Anklage.

(Foto: dpa)

Dabei wird seine - auf Becker gemünzte - Behauptung, vom Sozius der beim Attentat benutzten Suzuki habe damals eine Frau geschossen, mit jedem Zeugen brüchiger, den der akribisch arbeitende Senat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart vernimmt; die Mehrheit hat - wenn überhaupt - zwei Männer auf dem Motorrad gesehen.

Doch mit der ihm eigenen Suggestionskraft ist es dem Göttinger Chemie-Professor Buback nun gelungen, auch seine zweite, auf der ersten aufbauenden These zum Prozess-Thema zu machen: dass die Behörden seinerzeit eine "schützende Hand" über Becker gehalten hätten, weil sie schon vor den Morden vom Gründonnerstag 1977 dem Verfassungsschutz zugearbeitet habe.

Jedenfalls hat Bubacks Beharren die beiden Verteidiger Walter Venedey und Hans Wolfgang Euler, die bisher eher zurückhaltend agiert haben, nun zur Gegenoffensive veranlasst. Sie wollen den einstigen hessischen Generalstaatsanwalt und Staatssekretär Christoph Kulenkampff vorladen lassen, der 1979 die Justizvollzugsanstalt Frankfurt-Preungesheim leitete.

Dort saß damals Verena Becker in Haft, und sie forderte von der Anstaltsleitung die Überstellung umfangreicher Unterlagen zur Vorbereitung auf das damals noch anhängige Verfahren wegen des Buback-Mordes. Das geht aus einer Korrespondenz zwischen Kulenkampff und der Bundesanwaltschaft hervor. Ein Verhalten, das aus Sicht der Verteidiger keinen Sinn ergibt, falls es tatsächlich eine "schützende Hand" gegeben habe - denn eine solche hätte das Verfahren ohnehin ins Nichts gesteuert.

Schon bisher stand Bubacks Theorie der "schützenden Hand" auf einem eher schwachen Fundament. Ein Mosaikstein seiner Theorie ist etwa Verena Beckers Notizbuch, das beispielsweise den Eintrag "Strauß F.J." enthielt, womöglich ein Hinweis auf eine Ausspähung des CSU-Politikers. In seinem Buch nennt es Buback "kaum nachvollziehbar", dass dieses Notizbuch nicht Gegenstand der Anklage gegen Becker gewesen sei, die wegen der Schießerei bei ihrer Festnahme im Mai 1977 erhoben worden war.

Gezielte Manipulation?

Joachim Lampe, der damals für die Bundesanwaltschaft ermittelt hat, widerspricht: "Alle schriftlichen Notizen einschließlich des Notizbuches waren in Ablichtung bei den Akten und sind dem Gericht vorgelegt worden", sagte Lampe der Süddeutschen Zeitung.

Überdies geht Bubacks Theorie nur dann auf, wenn die sinistren Mächte ihren Verschwörungsplan an jenem 7.April 1977 im Eiltempo etabliert hätten. Eine der "Kronzeuginnen" Bubacks, die nach ihrer heutigen Aussage auf dem Sozius höchstwahrscheinlich eine Frau gesehen haben will, ist unmittelbar nach dem Anschlag von einem Polizisten vernommen worden - nach dessen Vermerk von einer Frau freilich nicht die Rede war. Kann dieser Vermerk - wie Buback in seinem Buch nahelegt - gezielt zur Verschleierung von Beckers Täterschaft manipuliert worden sein? Das wäre schon logistisch kaum machbar: Die geheimen behördlichen Verschwörer hätten binnen zweier Stunden diesen und zahllose weitere Karlsruher Polizisten, die an den Tatort geeilt waren, auf den Schutz für Becker einschwören müssen.

Vergangene Woche ist die "Kronzeugin" übrigens vom OLG vernommen worden - sie verstrickte sich in Widersprüche. Für Bubacks Frauen-These wird das OLG ihr kaum Bedeutung beimessen.

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