Schon früh im Leben lernt man, dass der Sitzplatz eine Statusfrage ist. Im Schulbus belegen die coolen Sprücheklopfer die hintersten Bänke, die Braven sitzen vorne. Im Bundestag ist es eher andersherum. Nach der Wahl hat nun das Feilschen um die Stühle in der ersten Reihe des Plenarsaals begonnen: Wie viele gibt es und wer bekommt sie? Der Wettbewerb ist dieses Mal schärfer, da nun sechs statt bisher vier Fraktionen um die Premiumplätze rangeln. Die Sitze spiegeln die Machtverhältnisse wider und sind begehrt, weil sie im Blick der Fernsehkameras liegen. Wie viele dieser Sessel jede einzelne Fraktion belegt (bisher hatten zum Beispiel CDU/CSU sieben, die Grünen zwei), versuchen die parlamentarischen Geschäftsführer und der Bundestagspräsident von nächster Woche an zu klären.
Den Mitgliedern des kommissarischen Ältestenrats macht keine Sorge, dass insgesamt 709 und damit 79 zusätzliche Abgeordnete auf den veilchenblauen Stühlen unter der Reichstagskuppel Platz nehmen. Das sind weniger als die 1260 Mitglieder der Bundesversammlung, die im Februar an selber Stelle den Bundespräsidenten wählten. Kniffliger ist die Einigung über die Sitzordnung der Fraktionen. Mancher verortet die AfD beispielsweise vom Rednerpult aus ganz rechts, andere finden die dortige Nähe zur Regierungsbank unglücklich. Auch um die Fraktions-Sitzungssäle in den Reichstagstürmen dürfte es Streit geben.
Am schwierigsten ist die Suche nach neuen Büros, weil ein Erweiterungsbau des Bundestags nicht fertig ist. 54 Quadratmeter stehen jedem Gewählten zu. Nun verlassen einige Verwaltungsmitarbeiter ihre Räume im Regierungsviertel, um kurze Wege für Abgeordnete zu ermöglichen. Die Verwaltung stellt zudem möblierte Zimmer bereit, in denen Volksvertreter vorläufig unterkommen, bis alle in einigen Monaten in ihren eigenen vier Bürowänden sitzen.