Süddeutsche Zeitung

Rätsel der Woche:Wie schützt Immunität die Abgeordneten?

Volker Beck wird mit Drogen erwischt - es können aber noch keine Ermittlungen eingeleitet werden. Wird der Abgeordnete bevorzugt?

Von Robert Roßmann

Es war eine Nachricht, die bei manchem Bürger alte Vorurteile bestätigte. Bundestagspräsident Norbert Lammert habe das Immunitätsverfahren zu Volker Beck "auf Eis gelegt", meldete die Deutsche Presseagentur am Donnerstagabend. Die Staatsanwaltschaft könne deshalb nicht gegen den Grünen-Abgeordneten ermitteln. Beck war mit 0,6 Gramm eines verbotenen Rauschmittels erwischt worden, dabei soll es sich um Crystal Meth gehandelt haben. Nicht nur in den sozialen Netzwerken vermuteten viele sofort nach der Agenturmeldung eine unzulässige Bevorzugung Becks.

Diese Klage ist allerdings unbegründet. Die Bundestagsabgeordneten genießen zwar tatsächlich Immunität. Diese ist in Artikel 46 des Grundgesetzes festgelegt. Demnach ist jede strafrechtliche Verfolgung oder jede Beschränkung der persönlichen Freiheit eines Abgeordneten nur mit Genehmigung des Bundestages zulässig. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Abgeordnete auf frischer Tat oder im Laufe des folgenden Tages festgenommen wird. Das Immunitätsrecht soll vor allen die Arbeitsfähigkeit des Parlaments sichern. Es ist ein historisch gewachsenes Schutzrecht vor Übergriffen der Exekutive oder der Judikative - etwa durch Festnahmen vor Abstimmungen.

Bei der Aufnahme von Ermittlungen gegen Abgeordnete spielt das Immunitätsrecht heutzutage aber kaum eine Rolle. Die Staatsanwaltschaften müssen vor der Aufnahme lediglich dem Bundestagspräsidenten ihre Absicht mitteilen. 48 Stunden nach Eingang dieser Mitteilung beim Bundestagspräsidenten darf mit den konkreten Ermittlungen begonnen werden. Dass das im Fall Beck anders gelaufen ist, liegt an der Staatsanwaltschaft Berlin. Deren Mitteilung an Lammert genügte nach Ansicht des Bundestags nicht den formalen Anforderungen, weil darin nicht explizit von der Einleitung von Ermittlungen die Rede war. Am Freitag hat die Staatsanwaltschaft das in einem neuen Schreiben an Lammert nachgeholt. Der Aufnahme von Ermittlungen gegen Beck dürfte damit nach Ablauf der 48 Stunden nichts mehr im Wege stehen.

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Quelle:
SZ vom 12.03.2016
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