Ein seltsames Phänomen nahm seinen Lauf, als am vergangenen Wochenende mal wieder ein Sturm über das nördliche Europa zog. Diesmal trug er den ebenfalls merkwürdigen Namen Herwart und blies wie zuvor bereits der Kollege Xavier mächtig über das Land. Der Orkan tötete nicht nur mehrere Menschen, deckte Dächer ab und drückte Elbwasser in die Hamburger Hafencity - er trieb natürlich auch diverse Windräder heftig an. Das ist im Prinzip schön, weil dann besonders viel Windenergie in die Netze strömt. Das kuriose Problem: In solchen Momenten wird dieser saubere Strom dermaßen billig, dass Anbieter theoretisch zahlen müssen, um ihn loszuwerden, was praktisch die Verbraucher zu spüren bekommen.
Hinter der Lösung dieses Rätsels steckt das Kürzel EEG, das Erneuerbare-Energien-Gesetz aus dem Jahr 2000. Diese Vorgabe garantiert, dass Strom mit Hilfe nicht-fossiler Antreiber wie Wind oder Sonne bevorzugt behandelt und die Differenz zum Marktpreis notfalls über die EEG-Umlage ausgeglichen wird. Das ist im Oktober häufig passiert, zuletzt am bewegten Samstag und Sonntag. Dafür sorgte die Kombination von hohem Angebot und niedriger Nachfrage.
Herwart und die Propeller produzierten an beiden Tagen viel mehr Windkraft als nötig. Die Folge: Der Preis an der Energiebörse in Leipzig sank stundenlang auf unter Null, "negativer Preis" nennt sich das. Am 29. Oktober lag dieser Wert bei minus 52,11 Euro pro Megawattstunde. Freudige Abnehmer der Überkapazitäten sind vor allem Nachbarn wie Österreich und die Schweiz, die damit Wasser in ihre Stauseen pumpen und den Strom später wieder verkaufen. In Deutschland liegen die Preisstürze an viel Produktion, wenig Speicherkapazitäten und daran, dass zum Beispiel Kohlekraftwerke nicht mal rasch gedrosselt werden, wenn der Wind tobt. Die Kosten für die EEG-Umlage bezahlen die Kunden.