Rätsel der Woche:Schützt die Menschenrechtskonvention?

Rätsel der Woche: Wie steht es um die Menschenrechte, in diesem Land im Ausnahmezustand?

Wie steht es um die Menschenrechte, in diesem Land im Ausnahmezustand?

(Foto: AFP)
  • Wer die Konvention aussetzt, muss den Europarat "umfassend über die getroffenen Maßnahmen und deren Gründe" informieren, heißt es in Artikel 15.
  • Im Fall der Türkei steht diese Unterrichtung noch aus.
  • Vorerst konnte die Konvention in dem Land niemanden vor einer etwaigen Verletzung seiner Rechte bewahren.

Von Detlef Esslinger

Solange in der Türkei der Ausnahmezustand gilt, will die Regierung auch der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht folgen. Die Regierung beruft sich dabei auf deren Artikel 15. Er erlaubt, von ihr abzuweichen, sofern "das Leben der Nation durch Krieg oder einen anderen öffentlichen Notstand bedroht" wird.

Die Europäische Menschenrechtskonvention ist von allen 47 Staaten unterzeichnet, die dem Europarat angehören - jener Institution, die zum einen ein Debattenforum und zum anderen ein Dach für völkerrechtlich bindende Abkommen ist. Das bedeutendste ist die Menschenrechtskonvention, die die Grundrechte von mehr als 800 Millionen Bürgern garantieren soll. Wer der Meinung ist, dass sie ihm vorenthalten werden, kann Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg erheben.

Folter, Sklaverei und Strafe ohne Gesetz bleiben immer verboten

In 14 Artikeln zählt die Konvention die Grundrechte auf, etwa die Meinungs-, Gewissens-, Religions- und Versammlungsfreiheit oder das Recht auf ein faires Verfahren. Wer Artikel 15 in Anspruch nehmen und sie aussetzen will, muss den Europarat "umfassend über die getroffenen Maßnahmen und deren Gründe" unterrichten. Folter, Sklaverei und Strafe ohne Gesetz bleiben aber immer verboten.

Schützt dies die Menschen, die Präsident Erdoğan zu seinen Gegnern erklärt hat? Nach Angaben des Generalsekretärs des Europarats steht eine Unterrichtung durch die Türkei noch aus. Weiter ließ er mitteilen, der Menschenrechtsgerichtshof könne im Einzelfall prüfen, ob die ergriffenen Maßnahmen verhältnismäßig seien. Aus dem Umstand, dass Erdoğan diese Woche viele Verhaftete demonstrativ mit ihren Verletzungen der Öffentlichkeit vorführen ließ, kann man schließen: Mag sein, dass der Gerichtshof später einigen attestieren wird, dass sie sogar gefoltert wurden. Vorerst aber konnte die Konvention wohl niemanden vor irgendetwas bewahren.

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