Rätsel der Woche:Anerkennung  einer Hauptstadt

Warum reicht es denn nicht aus, wenn die Außengrenzen eines Landes anerkannt werden?

Von Ronen Steinke

Jeder Staat bestimmt selbst, wo seine Hauptstadt liegt. Es bedarf dafür keines formellen völkerrechtlichen Akts der Anerkennung, ebenso wenig wie für andere Fragen seiner innenpolitischen Verfasstheit. Anerkennung braucht ein Staat nur für seine Außengrenzen. Um genau die geht es aber, rechtlich betrachtet, im Fall der umkämpften Stadt Jerusalem. Der Ostteil wurde 1967 durch die israelische Armee erobert. Als Israel anschließend Jerusalem zu seiner Hauptstadt ausrief, war dies auch eine Form, den israelischen Herrschaftsanspruch über dieses neue Gebiet zu proklamieren. Und als jüngst US-Präsident Donald Trump die Stadt offiziell als Israels Kapitale "anerkannte", war das eine implizite Anerkennung dieser alten Annexion.

Trump dafür zu kritisieren, heißt auf die völkerrechtliche Stimson-Doktrin zu pochen. Die Doktrin ist Ausfluss des völkerrechtlichen Gewaltverbots. Sie besagt: Staaten sollten nur rechtmäßigen Gebietserwerb anerkennen, keine Gewalt-Beute. Dahinter steht der Gedanke, dass "Anerkennung" auch Billigung bedeutet, nämlich das Versprechen, auf alle politischen Maßnahmen zu verzichten, die auf eine Veränderung der neuen Herrschaftsverhältnisse gerichtet sind. Wer "anerkennt", bestärkt den neuen Herrscher. Deshalb weigern sich westliche Staaten, die von Russland im Jahr 2014 annektierte Halbinsel Krim als russisch anzuerkennen. Konkrete Rechtsfolgen entstehen aus der Geste allerdings nicht.

Das gilt auch für die Anerkennung Ostjerusalems als Hauptstadt eines Staates Palästina, die in dieser Woche von muslimischen Staaten erklärt wurde. Das bezieht sich zwar nur auf einen Teil der Stadt. Es klingt also vorsichtiger als bei Trump. Jedoch ist die Herrschaft über den Ost- genauso wie über den Westteil Jerusalems politisch umstritten, unter anderem im Hinblick auf den Zugang zu heiligen Stätten.

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