Radioaktive Abfälle:Streit um Atompolitik hält an

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Vier Wochen vor der Bundestagswahl streiten die Parteien weiter über die Atompolitik. SPD-Chef Müntefering sprach sich für ein neues Endlager für radioaktiven Müll aus.

Vier Wochen vor der Bundestagswahl hält der Streit über die Atompolitik an. SPD-Chef Franz Müntefering sprach sich für die Suche nach einem neuen Standort für ein Endlager für hoch radioaktiven Atommüll aus. "Wir brauchen ein sicheres Endlager. Gorleben ist es nicht", sagte Müntefering der Passauer Neuen Presse.

SPD-Chef Franz Müntefering: "Wir brauchen ein sicheres Endlager. Gorleben ist es nicht." (Foto: Foto: dpa)

Der Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin warf der großen Koalition bei der Suche nach einem Endlager Versagen vor. "Das ist einer der größten Wortbrüche der Koalition." Unterdessen gibt es neue Aufregung um die Asse: In dem maroden Atommülllager bei Wolfenbüttel gibt es dreimal soviel Plutonium wie angenommen.

Die Parteien sind tief zerstritten: Die Union will am Salzstock Gorleben in Niedersachsen als möglichem Endlager festhalten. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) dagegen hat den Standort wegen juristischer Hürden und politischer Einflussnahme in den 80er Jahren für politisch "tot" erklärt.

Scharfe Kritik an Gabriel

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff, der auf Gorleben als mögliches Endlager setzt, hatte Gabriel am Freitag scharf kritisiert. Gabriel gehe es um Wahlkampf und eine Profilierung der SPD, nicht um eine sachliche Unterrichtung.

Trittin nannte Wulff in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung einen "Knecht der Atomindustrie". Der Deutschen Presse-Agentur sagte Trittin, sollte es nach der Bundestagswahl am 27. September zu einer Fortsetzung der großen Koalition kommen, "erwarte ich mir in der Frage der Endlagerung gar nichts". Er habe die Befürchtung, dass die SPD längere Steinkohle-Subventionen durchsetze und der Union dafür längere Laufzeiten von Atomkraftwerken zubillige.

Am möglichen Endlager in Gorleben startete am Samstag eine einwöchige Protestfahrt nach Berlin. Rund 30 Traktoren machten sich auf den Weg - mit Transparenten "Atomausstieg jetzt" oder "Atomkraft abwählen". Zuvor hatten sich der Polizei zufolge rund 1000 Atomkraftgegner zu einer Kundgebung versammelt. Die Teilnehmer der Fahrt machen Station an anderen existierenden oder möglichen Atom-Lagerstätten: am Schacht Konrad bei Salzgitter, der Asse bei Wolfenbüttel und in Morsleben in Sachsen-Anhalt. In Berlin ist am 5. September eine Demonstration mit zehntausenden Teilnehmern geplant.

28 Kilo Plutonium in Asse

Unterdessen wurde bekannt, dass im maroden Lager Asse rund 28 Kilogramm Plutonium lagern. Bislang war offiziell immer von 9,6 Kilogramm die Rede. Diese Angabe beruhte dem Ministerium zufolge offensichtlich aber auf einem Übertragungsfehler zwischen einer Abteilung des Forschungszentrums Karlsruhe und der damals zuständigen Gesellschaft für Strahlenforschung, dem heutigen Helmholtz Zentrum.

Gabriel kritisierte: "Es ist unglaublich, dass man sich bei einem so gefährlichen Stoff wie Plutonium einfach in der Mengenangabe irrt." Eine Sprecherin von Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) sagte: "Wir fordern das Bundesamt für Strahlenschutz auf, uns umgehend über den neuen Sachverhalt zu informieren. Erst bei einer Konferenz vor neun Tagen zur Langzeitsicherheit der Asse war von den neuen Erkenntnissen des BfS, über die wir heute über die Medien erfahren haben, noch keine Rede."

In der Asse lagern nach offiziellen Angaben etwa 126.000 Fässer mit schwach- und mittelschwer radioaktiv belastetem Atommüll. Wegen stetiger Laugenzuflüsse ist das Bergwerk einsturzgefährdet.

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