"Racial Profiling":Wie ein schwarzer Deutscher gegen Polizeikontrollen kämpft

  • Ein Heilpraktiker aus dem Ruhrgebiet verklagt die Bundespolizei. Er sagt, zwei Beamte hätten ihn nur wegen seiner dunklen Haut kontrolliert. Die Polizisten sagen, G. habe sich verdächtig verhalten.
  • Der Rechtsstreit ist kein Einzelfall: Zwei Paragraphen geben der Bundespolizei viel Freiraum bei Personenkontrollen. Dies sei eine Einladung, Menschen nach ihrer Hautfarbe für Kontrollen auszuwählen, bemängeln Kritiker seit längerem.
  • Die Bundesregierung behauptet, in Deutschland gebe es kein "racial profiling".

Von Jannis Brühl, Köln

Ferdinand G. weiß gar nicht mehr genau, wie oft in seinem Leben Polizisten seine Papiere überprüft haben. Aber an die Kontrolle in einem Wienerwald-Restaurant erinnert er sich noch genau: "Da kam statt einer Bedienung ein Polizist und wollte meinen Ausweis sehen." G., der eigentlich anders heißt, ist Deutscher, 40 Jahre alt, dunkelhäutig, sein Haar kurz und kraus.

Im November 2013 kontrollierten G. wieder zwei Polizisten, dieses Mal am Bochumer Hauptbahnhof. Es war eine Kontrolle zu viel für den Heilpraktiker aus dem Ruhrgebiet. Er hat die Bundespolizei verklagt, die für Bahnhöfe zuständig ist. Das Verfahren läuft vor dem Kölner Verwaltungsgericht. Es ist eines von mehreren, die juristisch klären sollen, inwieweit es in Deutschland "racial profiling" gibt: systematisch rassistische Polizeikontrollen, in denen Menschen nur aufgrund ihrer Hautfarbe ins Raster einer Streife geraten.

Das würde gegen Artikel 3 des Grundgesetzes verstoßen: das Verbot, einen Menschen wegen "seiner Abstammung, Rasse, Sprache, Heimat und Herkunft" zu diskriminieren. Es geht um Paragraphen, ohne die sich die Kontrollpraxis an deutschen Bahnhöfen fundamental ändern würde. Was da am Donnerstag in Köln verhandelt wurde, zeigt aber auch, wie schwierig der Nachweis des "racial profiling" ist.

Der Fall Ferdinand G.

An jenem Novemberabend fuhr G., der im Ruhrgebiet lebt, nach dem Basketballtraining mit dem Auto zum Bahnhof. Er wollte seine damalige Freundin abholen und wartete in der Halle. Die Polizisten kamen auf ihn zu, er sagt: "Wenn ich die Polizei sehe, und sie sieht mich, dann weiß ich was passiert." Die Polizisten wollten seinen Ausweis sehen. G. weigerte sich.

Seine Freundin, eine Rechtsanwältin, kam dazu, ein Wortgefecht folgte. Das Paar wollte die Dienstausweise der Beamten sehen, alle gingen auf die Bahnhofswache. Dort zeigte G. seinen Ausweis, einer der Polizisten zeigte seinen. G. und seine Freundin gingen, später reichte er die Klage ein.

Die entscheidende Frage ist: Gab es eine allgemeine Gefahrenlage, die auf Ferdinand G. als Person gepasst hatte? Die Polizisten sagen, sie hätten einen Satz aus dem Paragraphen 23 des Bundespolizeigesetzes (BPolG) angewandt, der Kontrollen zur "Abwehr einer Gefahr" erlaubt. Nach dem Willen von G.s Anwalt Sven Adam soll das Gericht nun feststellen, dass sein Mandant nicht ins Gefahrenbild der Polizei passte, sondern wegen seiner Hautfarbe kontrolliert wurde.

Doch es geht um mehr als nur um einen Einzelfall: Zwei Organisationen, das "Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung" und die "Initiative schwarze Menschen in Deutschland", unterstützen die Klage. Sie kämpfen schon seit längerem gegen einen weitere Norm im BPolG: Paragraph 22 Absatz 1a ermöglicht anlasslose Kontrollen, um illegale Einreisen zu verhindern. Und diese Kontrollen treffen nach Ansicht ihrer Gegner besonders Menschen bestimmter ethnischer Gruppen - wie Ferdinand G.

Das sagen die Polizisten

Die Polizisten, die G. kontrollierten, und die Anwältin der Bundespolizei wehren sich in Köln vor Gericht gegen den Vorwurf, rassistische Vorurteile spielten bei Kontrollen eine Rolle. Beide Polizisten sagen aus, G. habe sich ganz einfach verdächtig verhalten: Als er sie gesehen habe, habe er sich die Kapuze über den Kopf gezogen und sich hinter einem Aufzugschacht versteckt.

Verdächtiges Kapuzenzupfen oder Misstrauen gegen Schwarze? Aussage gegen Aussage. Der Richter lässt zwar Sympathie für G.s Frust erkennen, aber keine klare Tendenz, wie er urteilen wird.

In ihrer Klageerwiderung rechtfertigt die Bundespolizei die Kontrolle: Die Kombination G.s Aussehen und Verhalten habe die Kontrolle gerechtfertigt. In dem Papier zeichnet sie ein ziemlich breites Bild der Gefahren am Bochumer Hauptbahnhof - in einer Sprache, die durchaus die Frage aufwirft, inwieweit Menschen auch durch ihre Herkunft ins Raster geraten. Da gebe es Taschendiebstähle, die in zwei Dritteln der Fälle von Männern zwischen 20 und 30 "aus dem nordafrikanischen Raum (Marokko, Algerien, Tunesien)" begangen würden. Alter, Geschlecht und auch "Migrationshintergrund" hätten auf G. gepasst. Der stammt allerdings nicht aus Nordafrika, und war zum Zeitpunkt der Kontrolle 38 Jahre alt. Zudem, heißt es in dem Dokument weiter, gebe es eine salafistische Szene in Bochum. G. habe nicht nur eine auch für die radikalen Islamisten typische weite Hose getragen - seiner Aussage nach eine Basketballhose - er habe auch "seiner Hautfarbe und dem szenetypischen Kinnbart" nach in die Szene passen können.

Auch eine "Trinkerszene" wird erwähnt, außerdem steht da der etwas merkwürdige Satz, Asylsuchende könnten "versehentlich" in Bochum aus dem Zug gestiegen sein. Illegal Eingereiste, sagt einer der Beamten vor Gericht, hätten nun einmal "Angst vor staatlicher Autorität ". Dazu habe G.s vermeintliches Versteckspiel am Aufzug gepasst.

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