Wer es einmal erlebt hat, von der Polizei ohne Angabe von Gründen überprüft worden zu sein, weiß, wie willkürlich und erniedrigend sich das anfühlen kann. Selbst wenn die Beamten freundlich vorgehen, empfinden viele Menschen die unterstellte Annahme, man könne ein Straftäter sein, bereits als Beleidigung.
Die Wahrscheinlichkeit, in eine solche Kontrolle zu geraten, ist allerdings nicht für alle gleich. Dafür sorgt das sogenannte "Racial/Ethnic Profiling", eine Methode der Polizei, bei der Merkmale wie Hautfarbe oder Gesichtszüge einer Person entscheidend dafür sind, ob sie kontrolliert oder überwacht wird.
In Deutschland kommen solche mutmaßlich ethnischen Merkmale zur Anwendung im Rahmen von "verdachtsunabhängigen Personenkontrollen", wie es im Polizeideutsch heißt. Grundlage dafür sind die Paragrafen 22 und 23 des Bundespolizeigesetzes. Tatsächlich ist die Polizei dazu ermächtigt, solche Kontrollen zum Beispiel in Zügen oder Bahnhöfen vorzunehmen. Das Ziel ist, die unerlaubte Einreise von Ausländern nach Deutschland zu verhindern.
Internationale Kritik am "Racial Profiling"
Doch inzwischen wächst der Widerstand gegen dieses Vorgehen. Das Deutsche Institut für Menschenrechte fordert nun " die Abschaffung rassistischer Personenkontrollen durch die Bundespolizei". Der entsprechende Paragraf im Bundespolizeigesetz verstoße gegen das Diskriminierungsverbot in Artikel 3 Absatz 3 des Grundgesetzes und gegen internationale Menschenrechtsverträge, erklärt Institutsdirektorin Beate Rudolf bei der Veröffentlichung einer Studie zum Thema.
Für diese Studie hat Hendrik Cremer, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts, die Gesetze in Deutschland untersucht und überprüft, ob die "polizeilichen Befugnisnormen", die im Bundespolizeigesetz und in den Landespolizeigesetzen aufgeführt werden, nationalem und internationalem Recht entsprechen.
Und das ist ihm zufolge nicht der Fall. So verstoße das Bundespolizeigesetz hier nicht nur gegen das Verbot rassistischer Diskriminierung, sondern auch gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Bestätigt sieht sich Cremer durch internationale Kritik am "Racial Profiling". So hätten einige Staaten Deutschland erst jüngst vor dem UN-Menschenrechtsausschuss aufgefordert, von der Praxis Abstand zu nehmen, berichtet er in der Studie. Auch der UN-Ausschuss für bürgerliche und politische Rechte und der UN-Anti-Rassismus-Ausschuss, die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) oder die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte (FRA) halten die Methode für unzulässig. Darüber hinaus verstößt dieses Vorgehen der Studie zufolge gegen den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sowie gegen den Schengener Grenzkodex.
Problem seien nicht die Polizei, sondern die Gesetze
Schließlich gibt es ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, demzufolge es eine verbotene Diskriminierung war, dass Polizeibeamte einen Bürger nur aufgrund seiner Hautfarbe überprüfen wollten. Die Bundespolizei entschuldigte sich hier für die Kontrolle.
Pauschale Verdächtigungen wie hier durch die Polizei "grenzen Menschen aus und verletzen ihren Anspruch auf Achtung als Gleiche", sagt Beate Rudolf. "Damit wird ihre Menschenwürde beeinträchtigt, deren Schutz Kernanliegen des freiheitlichen und auf Menschenrechten basierenden Rechtsstaates ist."
Es gehe hier nicht um Einzelfälle von Diskriminierung, für die nur die Polizei verantwortlich sei, sagt Cremer. "Es sind die gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen der Polizei, die auf diskriminierendes Handeln angelegt sind." Im Klartext: Das Problem sei nicht in erster Linie das Verhalten der Polizisten, sondern seien die Gesetze, die Diskriminierung erst ermöglichen.
Deshalb fordert das Institut eine vollständige Streichung des entsprechenden Paragrafen 22 Absatz 1a im Bundespolizeigesetz, der die Beamten zur anlasslosen Personenkontrolle auf Flughäfen, Bahnhöfen und Zügen ermächtigt, sollten diese den Eindruck haben, es könnte sich bei einer Person um einen Ausländer handeln, der vielleicht nicht legal eingereist ist. Außerdem müssten auch alle entsprechenden Gesetze auf Bundes- und Landesebene überprüft werden, fordert Cremer.
Bislang aber, so heißt es in der Studie, werde das "Racial Profiling" in der Politik und der breiten Öffentlichkeit noch relativ wenig thematisiert. Das will das Institut ändern.