"Queer Kissing Flashmob" bei Papstbesuch:"Warum ist ein Kuss heute noch revolutionär?"

Beim Spanien-Besuch von Papst Benedikt XVI. soll am Sonntag in Barcelona ein Massenküssen von Schwulen und Lesben stattfinden. "Das ist keine Aktion gegen die Kirche", sagt Organisator Joan Pérez.

Angelika Hild

Sie haben es auf Facebook angekündigt, sie twittern, sie haben einen eigenen Blog - und sie werben mit einem Youtube-Video: Am Sonntag, wenn Papst Benedikt XVI im Rahmen seiner Spanien-Reise Barcelona besucht, hoffen die Organisatoren des "Queer Kissing Flashmob" auf viele Unterstützer bei einer an sich harmlosen Aktion. Sobald das Papamobil auf den Platz vor der Sagrada Familia fährt, die der Papst an diesem Tag weihen wird, sollen sich möglichst viele Menschen gleichzeitig küssen. Das aufsehenerregende Detail: Männer küssen Männer und Frauen küssen Frauen.

Pope Benedict XVI waves as he arrives to lead his general audience is Saint Peter's Square at the Vatican

Der Papst besucht Spanien - und homosexuelle Aktivisten wollen ihn mit einem "Queer Kissing Flashmob" begrüßen. Sie planen ein gleichgeschlechtliches Massenküssen, wenn der Papst die Kirche Sagrada Familia in Barcelona verlässt.

(Foto: REUTERS)

"Wir wollten eine symbolische Aktion, die sympathisch wirkt und trotzdem eine konkrete Aussage hat", erklärt Joan Pérez (32), einer der Organisatoren des "Queer Kissing Flashmob". Ein Flashmob ist eine scheinbar spontane Aktion mit vielen Teilnehmern, die sich über das Internet zusammenfinden und dann etwas Ungewöhnliches tun. Im Anschluss geht die Menschenmenge wieder auseinander, als sei nichts gewesen. So planen es auch die Veranstalter des "Queer Kissing Flashmob".

Pérez erklärt, die Initiative sei im Freundeskreis entstanden. "Wir wollten unsere Ablehnung der Ansichten des Papstes über Homosexuelle zeigen", erzählt Pérez. Er schiebt aber gleich hinterher, dass die Aktion keineswegs gegen die Person des Papstes oder die katholische Kirche gerichtet sei. "Schließlich machen bei uns auch einige Christen mit." Trotzdem: "Wir finden es sehr traurig, dass die Kirche bestimmte Formen der Liebe nicht akzeptiert und als unnormal abstempelt", so Pérez.

Wichtig ist die Aufmerksamkeit

Man habe hin- und herüberlegt und sei schließlich auf die Idee mit dem Massenküssen gekommen. Der Grund: "Es ist doch sonderbar, dass so etwas edles wie ein Kuss heute noch revolutionär ist - nur, weil es Homosexuelle tun." Mit der Aktion wolle man beweisen, "dass wir uns auf dieselbe Art und Weise lieben wie Heterosexuelle auch."

Auf Facebook hat die Aktion bereits mehr als 3000 Unterstützer, und mehr als 1000 Personen haben dort ihre Teilnahme zugesagt. Joan Pérez will aber keine Einschätzung abgeben über die tatsächliche Anzahl der Personen, die kommen werden. "Wichtig ist, dass wir Aufmerksamkeit für unser Anliegen erzeugen." Und dafür tun die Initiatoren alles: Auf einem eigenen Blog und per Twitter wird für die Aktion geworben, und Palomino, ein vor allem in Katalonien bekannter Komiker, hat den Veranstaltern sogar ein Youtube-Video zur Verfügung gestellt, in dem er zur Teilnahme aufruft.

Dabei hat Spanien, was Homosexuelle betrifft, bereits eine der fortschrittlichsten Gesetzgebungen ganz Europas. In dem Land, in dem homosexuelle Handlungen während der Franco-Diktatur und noch bis zum Ende der 70er Jahre unter Strafe standen, ist die Homo-Ehe inzwischen der Ehe zwischen Heterosexuellen gleichgestellt. Homosexuelle dürfen Kinder adoptieren und der Opfer der Homosexuellen-Verfolgung unter Franco wird in der Stadt Durango im Baskenland mit einem eigenen Denkmal gedacht. Warum also eine Aktion für die Rechte von Homosexuellen, wenn doch die Meinung der Kirche den Schwulen und Lesben egal sein könnte?

"Die Kirche beeinflusst das Denken der Leute"

"Wir sehen natürlich, dass die Kirche nach wie vor beeinflusst, wie die Leute denken", erklärt Joan Pérez. Zwar sei die rechtliche Gleichstellung erreicht, "aber es macht einen Unterschied, ob ich als Schwuler hier in Barcelona lebe oder auf dem Land." Nicht überall in Spanien könnten Lesben und Schwule ihre Sexualität ausleben, und die Kirche trage dazu dabei.

Tatsächlich hat die katholische Kirche in der Vergangenheit wiederholt versucht, Einfluss auf die spanische Gleichstellungspolitik gegenüber Homosexuellen zu nehmen, seit die Regierungspartei PSOE diese offensiv vorantreibt. Spanische Bischöfe marschierten bei Demonstrationen gegen die Homo-Ehe mit, und die Bischofskonferenz erklärte, mit der Verabschiedung des entsprechenden Gesetzes werde "die Weisheit der ganzen Menschheit aufgegeben." Ein Bischof ließ zum Gesetz über die Möglichkeit der Adoption für Homosexuelle verlauten, dieses werde zu einer "moralischen Verwirrung" führen. Bevor das Gesetz zur Einführung eines Staatsbürgerkunde genannten Schulfachs in Kraft trat, das unter anderem die Gleichwertigkeit verschiedener Familienmodelle propagiert (darunter auch die Familie mit zwei homosexuellen Eltern), erklärte die spanische Bischofskonferenz, die Bürger sollten "mit allen legitimen Mitteln" dagegen vorgehen.

"Möglichst bieder anziehen"

Trotz der öffentlichen Proteste - die Macht der Kirche im einst so katholischen Spanien sinkt stetig. Laut Umfragen bezeichnen sich inzwischen zwar immer noch 73 Prozent der Spanier als katholisch, bei den 15- bis 29-Jährigen liegt die Zahl jedoch nur noch bei 52 Prozent. Nur mehr 29 Prozent der Spanier sind praktizierende Katholiken. Mit der schwindenden Zahl der Gläubigen sinkt auch die Deutungshoheit der Kirche in Spanien bei umstrittenen Themen wie der Homo-Ehe.

Die Aktion am Sonntag solle "ohne Aggressionen und ohne offenen Protest" ablaufen, sagt Pérez. Die Initiatoren setzen auf den Überraschungseffekt und empfehlen auf ihrem Blog sogar, sich möglichst bieder anzuziehen, um bis zu Beginn des Massenküssens unbemerkt zu bleiben. "Die Ansichten des Papstes werden wir wohl nicht ändern können", sagt Joan Pérez. "Aber vielleicht die Meinung der Leute auf der Straße."

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