Q&A:Wie geht es nach den Sondierungen weiter? Ein Überblick

Fortsetzung der Sondierungen von Union und SPD

Die CDU-Zentrale in Berlin.

(Foto: dpa)

Union und SPD haben ihre Sondierungen abgeschlossen. Doch bis wirklich eine Regierung stehen kann, wird es noch dauern. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Max Ferstl und Jasmin Siebert

Nach mehr als 24-stündigen Sondierungen über eine große Koalition wollen Angela Merkel, Horst Seehofer und Martin Schulz ihren Parteien die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen empfehlen. Doch damit sind längst nicht alle Hürden genommen. Bis wirklich eine Regierung stehen kann, wird es noch dauern.

Warum ging das Sondieren anders als bei Jamaika dieses Mal so schnell?

Die Verhandlungen zwischen SPD und Union waren in mehrfacher Hinsicht einfacher: Die Parteien haben schon in den vergangenen vier Jahren zusammengearbeitet. Man kennt sich also, hat ein vergleichbares Wissen in Sachfragen und liegt auch inhaltlich näher beisammen als die vier Jamaika-Parteien. Ein weiterer Vorteil: Es mussten sich nur drei Parteien - SPD, CDU, CSU - einigen. Zudem hatten alle Beteiligten ein Interesse daran, die Sondierungen so rasch wie möglich abzuschließen. Niemand will eine zweite Hängepartie.

Die Jamaika-Gespräche zuvor fanden unter erheblich komplizierteren Bedingungen statt. Es verhandelten Politiker, die auf Bundesebene noch nie miteinander regiert haben. Die Grünen mussten sich mit Positionen arrangieren, die ihren Überzeugungen widersprechen. Die FDP steckt mitten im Wiederaufbau und die CSU fürchtet um die absolute Mehrheit bei den bayerischen Landtagswahlen 2018. In dieser Gemengelage hatten die Sondierungsgespräche eher den Charakter von Koalitionsverhandlungen. Diese stehen SPD und Union nach erfolgreichen Sondierungsgesprächen jetzt bevor.

Wie geht es nun weiter?

Nach Abschluss der Sondierungen beraten die Parteien intern über das Ergebnis, SPD und CDU noch am Freitag, die CSU erst am Montag. Doch auch wenn die Parteispitzen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen befürworten, ist der Weg zu einer neuen Regierung noch nicht geebnet. Das liegt vor allem an der SPD, in der viele eine große Koalition skeptisch sehen. Zwei Hürden gilt es zu überwinden: Die 600 Delegierten auf dem SPD-Parteitag am 21. Januar müssen den Koalitionsverhandlungen zustimmen. Und wenn es gelingt, diese erfolgreich abzuschließen, steht noch die Mitgliederbefragung aus. Nur wenn eine Mehrheit der mehr als 443 000 SPD-Mitglieder den Koalitionsvertrag befürwortet, will die SPD wirklich in die Regierung eintreten.

Bereits 2013 ließ die SPD ihre Mitglieder über eine große Koalition abstimmen. Ein solches Votum war ein absolutes Novum in der Bundesrepublik, fast 78 Prozent aller SPD-Mitglieder stimmten ab, gut drei Viertel von ihnen befürworteten eine Groko. Wie die Entscheidung dieses Mal ausgehen wird, ist unklar.

Bei CDU und CSU gibt es weniger Unsicherheitsfaktoren: Ob sie dem Koalitionsvertrag zustimmen, entscheiden die Parteivorstände. Ein Parteitag werde nicht gebraucht, sagte CSU-Chef Seehofer nach dem Sondierungsabschluss.

Wie laufen die Koalitionsverhandlungen?

In der Regel bilden die koalitionswilligen Parteien Arbeitsgruppen, die über Sachfragen aus den verschiedenen Themenfeldern verhandeln. Sie sollen gemeinsame Positionen für die kommende Legislaturperiode vereinbaren. Die Parteien betonen gerne, dass es vor allem um Sachfragen gehe, nicht ums Personal. Doch üblicherweise wird schon bei Koalitionsverhandlungen über künftige Ministerposten entschieden. Sind die Verhandlungen erfolgreich, präsentieren die künftigen Koalitionäre am Ende einen Vertrag.

Auch wenn es gut läuft, wird die Regierungsbildung noch dauern

Wann könnte die neue Bundesregierung ihre Arbeit aufnehmen?

Viele Politiker verbreiten Optimismus und sagen, dass bis Anfang April eine neue Regierung vereidigt werden könnte. CSU-Chef Horst Seehofer sagte der dpa, Ostern sei der "allerspäteste Termin". Ostersonntag fällt in diesem Jahr auf den 1. April. "Ostern ist sportlich", meint dagegen Sabine Kropp, Expertin für das politische System der Bundesrepublik. Die Koalitionsverhandlungen können erst beginnen, nachdem der SPD-Parteitag am 21. Januar eingewilligt hat. Politikwissenschaftler Stephan Klecha schätzt dass die Verhandlungen dann drei bis acht Wochen dauern werden, je nachdem wie viele Inhalte bereits während der Sondierungen festgezurrt wurden. Die Befragung der SPD-Mitglieder kostet noch einmal vier Wochen, schließlich müssen Stimmzettel gedruckt, an die mehr als 443 000 SPD-Mitglieder verschickt und dann ausgezählt werden.

Woran kann die Regierungsbildung jetzt noch scheitern?

Die größten Hürden sind die parteiinternen Widerstände in der SPD. Juso-Chef Kevin Kühnert hat bereits angekündigt, die GroKo auf jeden Fall verhindern zu wollen. Wie die Mitgliederbefragung dieses Mal ausgehen könnte, vermag niemand vorherzusagen. Sie werde jedoch maßgeblich von der Positionierung der SPD-Parteispitze abhängen, glaubt Politikwissenschaftler Klecha. Wenn die Führung geschlossen auftrete und sich alle einig seien, "wird die Groko mit ein wenig Gerappel durchgehen". Sein Kollege Uwe Jun, Parteienforscher und Politikwissenschaftler an der Uni Trier, hält Martin Schulz' Verhalten für entscheidend. Wenn er sich bedeckt halte, würden die Mitglieder auch eher zögern. Spreche er sich jedoch deutlich für die GroKo aus, werde ihm die Basis folgen. "Eine Palastrevolution hat keine Traditon in der SPD", sagt Jun.

Wie geht es weiter, wenn die Groko nicht zustandekommt?

Stimmt mehr als die Hälfte ihrer Mitglieder dagegen, wird die SPD nicht in eine Koalition mit der Union eintreten. Dann dürfte nicht nur Martin Schulz den Rückhalt in seiner Partei verlieren. Auch Angela Merkel müsste bei diesem Ergebnis mit persönlichen Konsequenzen rechnen.

Theoretisch könnte Merkel nach einem Scheitern einer weiteren Groko an der SPD-Basis noch immer eine Minderheitenregierung wagen oder sich erneut nach anderen Partnern umschauen. Eine Neuauflage von Jamaika-Sondierungen gilt allerdings als äußerst unwahrscheinlich. Denn FDP-Chef Christian Lindner wäre dazu nur bereit, wenn es bei der Union einen Personalwechsel - also eine Ablösung von Merkel - gäbe.

Die nächste Option sind Neuwahlen, und auch dafür bräuchten sowohl SPD als auch CDU neues Spitzenpersonal, da beide Parteivorsitzende gescheitert sind.

Neuwahlen kann nur der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier herbeiführen. Ihm kommt für den Fall, dass keine Regierung gebildet werden kann, eine tragende Rolle zu. Ehe neu gewählt wird, muss Steinmeier den Bundestag auflösen und dies ist nur nach einer gescheiterten Kanzlerwahl möglich.

Der Ablauf ist in Artikel 63 des Grundgesetzes geregelt: Der Bundespräsident schlägt einen Kanzlerkandidaten vor. Rein rechtlich darf er vorschlagen, wen er möchte. In der Praxis war dies bisher immer der Kanzlerkandidat der Partei, die aus der Wahl als stärkste hervorgegangen ist. Stimmt in geheimer Wahl mehr als die Hälfte aller Bundestagsabgeordneten für den Kandidaten (die sogenannte Kanzlermehrheit), ernennt ihn der Bundespräsident.

Erreicht der Kandidat diese absolute Mehrheit nicht, sind zwei Wochen Zeit, um durch erneute Wahlen doch noch zu einer solchen Mehrheit zu kommen. Theoretisch darf der Bundestag in dieser Zeit so oft wählen, wie er möchte - kann aber auch ganz darauf verzichten.

Kann nach Ablauf der zweiwöchigen Frist kein Kandidat eine absolute Mehrheit auf sich vereinen, wird unmittelbar darauf ein drittes Mal gewählt. Nun genügt es, dass der Kandidat mehr Stimmen bekommt als jeder mögliche Gegenkandidat. Es ist nun Aufgabe des Bundespräsidenten zu entscheiden, ob er den Kandidaten zum Kanzler ernennt und in eine Minderheitsregierung entlässt. Er hat sieben Tage Bedenkzeit. Entscheidet er sich für Neuwahlen, müssen diese innerhalb von 60 Tagen stattfinden.

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