Putsch in Thailand:So tief der Hass - so verhärtet die Fronten

A Thai officer holds a weapon as his unit blocks the access to the Army Club where Thailand's army chief held a meeting with all rival factions during a coup in central Bangkok

Ein Offizier bewacht mit seiner Einheit in Bangkok die Zufahrt zum Army Club, wo Armeechef Prayuth Chan-ocha eine Besprechung abhält

(Foto: REUTERS)

In Thailand hat das Militär die Macht übernommen, ein lupenreiner Putsch. Die Streitkräfte behaupten, sie würden die Ordnung im Lande wiederherstellen und politische Reformen durchsetzen. Aber was soll das heißen, in einem Land, in dem keine Seite zu Kompromissen bereit ist?

Eine Analyse von Tobias Matern

Thailand ist ein Urlaubsparadies, mit unglaublich schönen Stränden, gutem Essen, bezahlbaren Hotels. Aber es gibt eine andere, dunkle Seite im selbst ernannten "Land das Lächelns". Es ist das zweite Gesicht Thailands. Die Polarisierung der gesellschaftlichen Lager hat in den vergangenen Jahren Ausmaße angenommen, die das Land ins Taumeln bringt. In den Touristenhochburgen Pattaya, Phuket und Koh Samui war davon bislang wenig zu spüren, Politik wird an anderen Orten gemacht, aber mit extrem harten Bandagen. In Bangkok ist am Donnerstag nun eine politische Erschütterung zu spüren, die Thailand noch lange Zeit in Atmen halten wird - Ausgang ungewiss.

Das thailändische Militär hat die Macht übernommen, ein lupenreiner Putsch, der 19. in der Geschichte des Königreiches Thailand. Auch die Verfassung wurde außer Kraft gesetzt. Der Schritt ist Ausdruck einer extremen Instabilität der politischen Institutionen, die systematisch ausgehebelt worden sind. Armeechef Prayuth Chan-ocha hatte bereits vor zwei Tagen das Militärrecht verhängt: Die Maßnahme sei, hatte der Oberkommandierende der Streitkräfte da noch in aller Deutlichkeit gesagt, kein Putsch. Die Generäle wollten doch nur vermitteln, wollten die beiden Streitparteien an einen Tisch bringen. Aber wie soll man in einem Konflikt vermitteln, der so verhärtet ist, dass lösungsorientierte Gespräche nicht möglich sind? Das Militär hat die Gespräche der beiden Konfliktparten jedenfalls am Donnerstag für gescheitert erklärt. Prayuth erklärte in einer Fernsehansprache, die Streitkräfte würden die Ordnung im Lande wiederherstellen und politische Reformen durchsetzen. Aber was soll das heißen?

Es gab eine demokratisch gewählte Regierung. Und auch wenn sie einen zweifelhaften Leumund hat, war sie mit einem eindeutigen Mandat ausgestattet. Jetzt ist sie abgesetzt. Kurzfristig habe Prayuth aber gezeigt, dass er an einer Vermittlung der verfeindeten Lager interessiert gewesen sei, sagt der Politikwissenschaftler Aurel Croissant, Thailand-Experte am Südasien-Institut der Universität Heidelberg, unmittelbar nach Ausrufung des Putsches. "Nun müsste der Armeechef aber zeigen, dass das Militär auch einen Plan hat, wie es nach dem Scheitern der Gespräche weitergeht." Doch besonders optimistisch ist Croissant nicht - einen solchen Plan könne er nicht erkennen.

Verhärtete Fronten

Die thailändische Malaise geht tief, und ein Putsch wird wohl kaum dazu beitragen, die Spaltung des Landes zu überwinden. Zwei Gruppen stehen sich unversöhnlich gegenüber: Die nun gestürzte Regierung wurde getragen von den sogenannten Rothemden, die vor allem aus den Provinzen im Norden und Nordosten des Landes kommen und Anhänger des Ex-Premierministers Thaksin Shinawatra sind. Ihnen gegenüber steht das "Demokratische Reformkomitee des Volkes" (PDRC), angeführt vom ehemaligen Vize-Premier Suthep Thaugsuban. Den Begriff Demokratie trägt seine Bewegung allerdings nur im Namen. Im November waren Zehntausende Demonstranten unter Leitung von Suthep gegen die gewählte Regierung von Premierministerin Yingluck Shinawatra, Thaksins Schwester, auf die Straße gegangen. Sie wollten sie nicht bloß absetzen, sondern forderten auch, dass die Shinawatras aus der Politik verschwinden. Ein für allemal. So tief geht der Hass, so verhärtet sind die Fronten.

Die Rothemden drohten mit Bürgerkrieg

Die PDRC-Anhänger verachten Thaksin, einen zwielichtigen Politiker, der dank einer Reihe populistischer Maßnahmen allerdings eine treue Wählerbasis hinter sich weiß. Sie lehnen Thaksin ab, weil er einen lange Zeit geltenden, ungeschriebenen Gesellschaftsvertrag ausgehebelt hat. Dieser besagte, dass die unteren Schichten zwar ein wenig teilhaben am ökonomischen Aufschwung, aber kein politisches Mitspracherecht erhalten. Das Militär hatte den damaligen Premier Thaksin im Jahr 2006 aus dem Amt geputscht. Bald darauf ging er ins Exil, um einer Haftstrafe wegen Korruption zu entkommen. Er bestimmte weiterhin die Politik seines Landes und ließ bei Wahlen Statthalter antreten - wie im Jahr 2011 seine Schwester Yingluck. Das Verfassungsgericht, alles andere als unabhängig, hatte Yingluck Anfang Mai unter dem Vorwurf des Amtsmissbrauchs abserviert und damit eine weitere Stufe der Eskalation heraufbeschworen. Die Rothemden, die sich um ihre Wählerstimmen betrogen fühlen, drohten mit einem Bürgerkrieg, falls der amtierende Regierungschef Niwatthamrong Boonsongpaisan abgesetzt wird - und genau das ist durch den Armee-Putsch jetzt eingetreten.

Das Militär wird nach Experten-Einschätzung jetzt eine Reihe von politischen Anführern aus dem Verkehr ziehen: "Es wird sicherlich erst einmal zu einer Reihe von Verhaftungen oder Hausarresten kommen, eventuell trifft das auch Mitglieder des inneren Zirkels der Thaksinistas", sagt Thailand-Experte Croissant. Auch Yingluck und den geschäftsführenden Premier Niwatthamrong könnte es seiner Ansicht nach treffen. Entscheidend werde nun sein, ob Prayuth es mit seinem in den vergangenen Monaten immer wieder proklamierten Gebot der Neutralität ernst meint - dann müssten auch Anhänger des PDRC festgesetzt werden: "Damit könnte der Armeechef etwas Glaubwürdigkeit gegenüber den Rothemden gewinnen, zu befürchten ist aber, dass das alles nicht gesittet ablaufen wird und mit Gewalt einhergehen wird", sagt Croissant. Er geht davon aus, dass einige Rothemden nun in den Untergrund abtauchen werden. Trotz der unübersichtlichen Lage glaubt Croissant nicht, dass es unmittelbar zu einem von den Rothemden organisierten Massenaufstand kommen wird: "Das Thaksin-Lager muss sich nun zunächst einmal neu ordnen und es bräuchte schon eine wirklich gute, klandestine Organisation, um sich mit einer Militärregierung anzulegen", sagt er.

Ein entscheidendes Manko ist, dass kein neutraler Vermittler in Sicht ist, der die verfeindeten Parteien zu Kompromissen bewegen könnte. Zwar ist die Monarchie ein zentraler Machtfaktor, wird König Bhumibol von den Menschen regelrecht verehrt. Bei früheren Konflikten hat er auch mäßigend eingegriffen. Doch im hohen Alter sei der Monarch "weder physisch noch politisch in der Lage, eine tatsächliche Mittlerolle zu spielen", analysiert Croissant.

Bundesregierung ruft zu erhöhter Wachsamkeit auf

Wie geht es nun weiter? Der Zeit der politischen Instabilität wird in Thailand mehr und mehr zum Alltag. Im besten Falle werde das Militär eine Reformkommission unter einer Technokraten-Regierung bilden, prognostiziert Croissant. Diese müsste dann Reformen ausarbeiten, während das Militär im Hintergrund die zivile Übergangsregierung kontrolliere. Aber bei diesem Szenario ist Ärger vorprogrammiert: Schließlich könnten die Rothemden mit Recht darauf verweisen, dass sie nun einige Male an der Wahlurne eine klare Entscheidung getroffen haben - und trotzdem sowohl Thaksin, als auch nach seinem Sturz von ihm unterstützte Regierungen immer wieder gestürzt worden sind. Thailand-Experte Croissant rechnet denn auch nicht damit, dass die Krise im "Land des Lächelns" bald beigelegt wird: "Ich befürchte, dass der Putsch noch nicht der Tiefpunkt der Entwicklung war", sagt er.

Eine Reisewarnung für Thailand sprach die Bundesregierung am Donnerstag nach Ausrufung des Putsches zunächst nicht aus. Alle Besucher des Landes riet sie aber zu "erhöhter Wachsamkeit". Bislang verlaufe das öffentliche Leben in der Hauptstadt Bangkok weitgehend normal. Doch die Lage könne sich rasch ändern, heißt es in den am Donnerstag aktualisierten Reisehinweisen des Auswärtigen Amtes. Auch gilt jetzt eine landesweite, nächtliche Ausgangssperre. Das hat die Armee in Thailand bereits mitgeteilt.

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