Putsch in Moskau:Als Genosse Jelzin auf den Panzer stieg ...

... und das Ende der Sowjetunion einläutete: Vor 20 Jahren putschten in Moskau kommunistische Hardliner gegen den Präsidenten Michail Gorbatschow. Panzer fuhren auf, doch Boris Jelzin verhinderte den Umsturz - und sicherte sich mehr Macht. Für Gorbatschow und die Supermacht bedeutete das den Untergang.

11 Bilder

Putschversuch in der Sowjetunion

Quelle: dpa

1 / 11

Es war der Anfang vom Ende einer Supermacht: Vor 20 Jahren putschten in der Sowjetunion kommunistische Hardliner gegen den Präsidenten Michail Gorbatschow. In Moskau fuhren Panzer auf, doch Boris Jelzin verhinderte den Umsturz. Für ihn bedeutete das mehr Macht - für Gorbatschow und die Sowjetunion den Untergang.

Die Bilder ließen nichts Gutes erahnen. Panzer rollten am 19. August 1991 auf den Ringboulevard in Moskau. Bürger flehten die Soldaten an, ihre Waffen nicht gegen die Bevölkerung zu richten. Ein achtköpfiges "Notstandskomitee", angeführt vom sowjetischen Vizepräsidenten Gennadij Janajew, verkündete die Machtübernahme. Der im Urlaub auf der Krim weilende sowjetische Präsident Michail Gorbatschow wurde für krank erklärt. Seine mit "Glasnost" und "Perestroika" eingeleitete Reformpolitik drohte an jenem Tag zu scheitern. Doch es kam anders.

Michail Gorbatschow vor zehn Jahren zurückgetreten

Quelle: DPA/DPAWEB

2 / 11

Gorbatschow, hier bei seinem Rücktritt im Dezember 1991, hatte den sowjetischen Teilrepubliken mehr Souveränität zubilligen wollen: Am 20. August sollte ein neuer Unionsvertrag unterschrieben werden. Die alte kommunistische Garde fürchtete um ihre Macht - und putschte einen Tag vorher. Trotz einer frühzeitigen Warnung des damaligen Außenministers Eduard Schewardnadse ("Die Putschisten hatten fertige Listen, mit wem nach der Machtergreifung abzurechnen war") reiste Gorbatschow in den Urlaub auf die Krim, wo ihn seine Gegenspieler festhielten. Er habe ihnen den Coup nicht zugetraut, sagte Gorbatschow Jahrzehnte später in einem Spiegel-Interview: "Ich dachte, das müssten Idioten sein, wenn sie gerade in diesem Moment va banque spielen würden. Aber es waren leider wirklich Idioten, sie machten alles kaputt."

20 Jahre Ende der Sowjetunion

Quelle: dpa

3 / 11

Die Putschisten - neben Janajew auch Ministerpräsident Valentin Pawlow, Innenminister Boris Pugo, KGB-Chef Wladimir Krjutschkow und Verteidigungsminister Dimitrij Jasow - waren vom Erfolg ihres technokratischen Staatsstreichs überzeugt. Sie kontrollierten die wichtigsten Ministerien und auch die Medien, Gorbatschow war festgesetzt. Mit Boris Jelzin hatten sie jedoch nicht gerechnet. Der war erst einen Monat zuvor zum russischen Präsidenten gewählt worden.

Boris Jelzin während Putschversuchs vor dem Weißen Haus in Moskau, 2001

Quelle: REUTERS

4 / 11

Während an den Aktienmärkten Panik einsetzte und von Washington bis Peking die politischen Krisenstäbe tagten, kletterte Jelzin vor dem Sitz des Moskauer Parlaments auf einen Panzer - ein Bild, das um die Welt ging. In einer "Rede an die Bürger" rief er vor etwa 150 Zuhörern zum Widerstand gegen die Putschisten auf. Seine Worte mobilisierten Zehntausende Sowjetbürger, die sich dem Militär entgegenstellten.

Boris Jelzin während Putschversuchs russischer Hardliner in Moskau, 2001

Quelle: REUTERS

5 / 11

Jelzin - hier mit einem Panzerfahrer - hatte bald auch die Armee auf seiner Seite. Am Mittag des 21. August war der Putsch endgültig gescheitert - das politische Überleben Gorbatschows aber dennoch gefährdet. Zwar hatte Jelzin stets die Rückkehr des sowjetischen Präsidenten gefordert, doch er verfolgte ...

Michail Gorbatschow und Boris Jelzin, 1991

Quelle: Associated Press

6 / 11

... längst eigene Ziele. "Jelzin war furchtbar in die Macht verliebt, hochfahrend und ruhmsüchtig, ein Herrenmensch", erinnert sich Gorbatschow. Diese Eigenschaft fehlte dem Sowjetpräsidenten in diesem Moment, wie György Dalos, der ungarische Gorbatschow-Biograf, im Interview mit sueddeutsche.de erläutert: "Es gibt auch eine persönliche Geschichte über den Menschen Gorbatschow. Als er mit seiner schwerkranken Frau Raissa und den Enkelinnen in Moskau ankam, wurde er gefragt, wohin der Tross fahren soll. Er sagte: Wir fahren auf die Datscha. Es ist natürlich nur eine Spekulation, aber wenn Gorbatschow vor dem Kreml die ersten Interviews gegeben und sich hätte feiern lassen, dann wäre seine Popularität nicht so schnell gesunken."

Gorbatschow hatte Jelzin, den Sekretär des Swerdlowsker Gebietsparteikomitees, 1985 in die Moskauer Zentrale geholt. Ein Fehler, wie dieser später zugab: "Man hätte Jelzin als Botschafter in eine Bananenrepublik abschieben sollen, dort hätte er in aller Ruhe Wasserpfeife rauchen können."

BORIS JELZIN UND MICHAIL GORBATSCHOW

Quelle: SZ

7 / 11

So jedoch stieg Jelzin 1991 zum Präsidenten Russlands auf - und vergrößerte durch sein entschlossenes Handeln während des Putsches im August seine Macht. Zwar kehrte Gorbatschow nach Moskau zurück und ließ die Putschisten festnehmen. Doch erklärten immer mehr Sowjetrepubliken nach dem Staatsstreich ihre Unabhängigkeit. Auf Litauen, das sich im März 1990 für unabhängig erklärt hatte, und Georgien folgten im Sommer 1991 Estland, Lettland sowie einige Wochen später Armenien und Aserbaidschan. Die UdSSR war gescheitert - und mit ihr Gorbatschow.

Hannelore Kohl und Boris Jelzin in Moskau, 1996

Quelle: DPA

8 / 11

Jelzin - hier 1996 beim Handkuss mit der deutschen Kanzlergattin Hannelore Kohl - untersagte der Kommunistischen Partei jede Tätigkeit auf russischem Gebiet und drängte Gorbatschow zur Entlassung der gesamten Sowjetregierung. Daraufhin versuchte dieser vergeblich, eine neue Union souveräner Republiken unter zentraler Lenkung zu schaffen. Im Dezember 1991 bildeten Russland, die Ukraine und Weißrussland stattdessen die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Rechtsnachfolger der Sowjetunion wurde die Russische Föderation - sowohl als Atomstaat wie auch als Vetomacht im UN-Sicherheitsrat.

BORIS JELZIN WIRD 70

Quelle: DPA

9 / 11

Die Putschisten hatten damit ungewollt nicht nur die Reformpolitik Gorbatschows, sondern auch die Sowjetunion beerdigt und ihrem Gegner Jelzin zu großer Macht verholfen. Der russische Präsident blieb bis Silvester 1999 im Amt. Sein Ruf als Retter der Demokratie litt bald unter Korruptionsvorwürfen, dem Niedergang der Wirtschaft und dem Tschetschenien-Krieg. Sein offensichtlicher Hang zum Alkohol und Bilder wie dieses - Jelzin tanzend bei einem Rockkonzert in Rostow am Don - machten ihn im Ausland zunehmend lächerlich.

-

Quelle: AP

10 / 11

Jelzin, der am 23. April 2007 in Moskau starb, hatte jedoch eine bis heute andauernde Ära begründet: Er machte Wladimir Putin (links im Bild) erst zum Chef des Geheimdienstes KGB und später zum Ministerpräsidenten. Am 1. Januar 2000 übernahm Putin das Amt des Präsidenten, bevor er 2008 erneut Ministerpräsident wurde. Beobachter rechnen damit, dass sich der 58-Jährige im März 2012 wieder zum Staatsoberhaupt küren lassen möchte.

Michail Gorbatschow, Wladimir Putin, 2004

Quelle: AP

11 / 11

Während Gorbatschow wegen seiner Rolle bei der Wiedervereinigung in Deutschland als Held verehrt wird, gilt er vielen Russen als Hassfigur - auch vor dem Hintergrund des Putsches. "Ich war in all den Jahren zermürbt worden, ich war müde, bis zum Limit. Aber ich hätte nicht wegfahren sollen. Es war ein Fehler", sagt er im Rückblick auf seinen damaligen Krim-Urlaub. Über Putin, dem unterstellt wird, er strebe ein neues russisches Riesenreich an, fällt Gorbatschow ein hartes Urteil: "Putin will an der Macht bleiben. Aber nicht, um endlich unsere dringendsten Probleme zu lösen - Bildung, Medizin, Armut."

© sueddeutsche.de/mikö/mati
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: