Kein anderes Thema war im ablaufenden Jahr so wichtig wie der Klimawandel. Wenn es eines letzten Beweises für diese These bedurfte, wurde er auf der Jahrespressekonferenz erbracht, die Russlands Präsident Wladimir Putin am Donnerstag im Moskauer Welthandelszentrum abhielt.
Denn das Land kämpft zwar mit vielen Problemen, wie den westlichen Sanktionen oder wirtschaftlicher Stagnation, doch gleich die erste Frage eines russischen Journalisten vom Moskauer Radiosender Majak drehte sich um die Erderwärmung: "Eigentlich wollte ich Sie etwas anderes fragen", sagte der Hörfunkmann, "doch als ich den heutigen Wetterbericht gehört habe, in dem es hieß, dass wir hier bis Ende Dezember keinen Schnee haben werden, will ich von Ihnen jetzt lieber wissen, was das aus Ihrer Sicht für Russland bedeutet?"
Putin versicherte, dass sich Russland an das Pariser Klimaschutzabkommen gebunden fühle, besonders weil der weltweite Anstieg der Temperaturen eine Gefahr für den Norden des Landes darstelle: "Wir haben viele Städte, die nördlich des Polarkreises liegen", sagte der Präsident. "Sie sind auf Permafrostboden gebaut, und wenn der schmilzt, dann vernichtet das unter Umständen ganze Häuser und Straßen." Der Klimawandel könne zudem Brände und Überschwemmungen auslösen und weitere negative Folgen haben.
Das klang nach ernsthafter Handlungsbereitschaft, doch dann hörte sich Putin plötzlich so an, als ob er möglicherweise gar nicht viel tun könnte: "Wir wissen alle, dass es in der Erdgeschichte immer schon große Klimaveränderungen gegeben hat, eine kleine Veränderung der Erdachse - und schon ändert sich das Wetter gravierend." Die Ursachen des Klimawandels seien immer noch unbekannt. "Deswegen untätig zu bleiben", schloss Putin, "ist allerdings ein großer Fehler", und vermied damit den Eindruck, als Klimapolitiker sei er Opfer höherer Mächte.
So macht Putin das jedes Jahr bei seiner Presse-Audienz: Er scheut keine kritischen Fragen, beantwortet sie dann aber oft nicht wirklich. Er tut so, als nähme er die angesprochenen Probleme ernst, dann relativiert er, beschwichtigt, weicht auf, macht andere verantwortlich oder erläutert seine Interpretation der Lage, die mitunter nur zur Hälfte oder gar nicht den Fakten entspricht.
Putin lehnt Änderungen am Minsker Abkommen ab
Als sich ein Journalist von der ukrainischen Nachrichtenagentur Unian danach erkundigte, was der Präsident vom Status der sogenannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk halte, verwies Putin auf das Minsker Abkommen von 2015, das den von prorussischen Rebellen regierten Regionen Autonomierechte in der Ukraine zuspricht. Dass dies aber nicht auf den derzeitigen Status eigener Staaten hinausläuft, die von Russland wirtschaftlich und militärisch am Leben erhalten und völkerrechtlich nicht anerkannt werden, ging dabei komplett unter.
Ukraine-Gipfel:Darauf haben sich Putin und Selenskij geeinigt
Die beiden Staatschefs vereinbaren einen Waffenstillstand für die Ostukraine. In einem wichtigen Punkt gibt der russische Präsident aber nicht nach.
Eine Änderung an dem von Deutschland und Frankreich vermittelten Minsker Abkommen lehnte Putin vehement ab. Der neue ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij hatte einen veränderten Zeitplan gefordert: Wahlen in den Rebellengebieten solle es erst geben, nachdem die Ukraine die Kontrolle über die ukrainischen Grenzen zurückerhalten hat. Kiew befürchtet, dass die Machthaber von Donezk und Lugansk durch international anerkannte Wahlen legitimiert würden und die Volksrepubliken umso länger bestehen blieben. Putins Kommentar: "Wenn wir anfangen, das Minsker Abkommen zu verändern, führt das in eine Sackgasse."
Im Fall des in Berlin ermordeten Georgiers räumte Putin auf die Frage eines deutschen Spiegel-Journalisten hin ein, dass es nie ein offizielles Auslieferungsgesuch gegeben habe. Darüber sei nur auf Geheimdienstebene gesprochen worden, sagte der Kremlchef. Von deutscher Seite sei signalisiert worden, dass der von Russland gesuchte Selimchan Changoschwili nicht nach Moskau ausgeliefert werde. Deshalb sei auf ein offizielles Gesuch verzichtet worden.
In Berlin hatte es hingegen mehrmals geheißen, dass man nichts von einem russischen Ersuchen wisse. Russland hatte Deutschland vorgeworfen, den Mann trotz eines Gesuchs nicht ausgeliefert zu haben. Putin deutete an, dass die Politik womöglich nichts von Kontakten auf Geheimdienstebene gewusst und es deshalb widersprüchliche Aussagen gegeben habe.
Der Fall hat die diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und Russland belastet. Denn die Bundesanwaltschaft verdächtigt staatliche Stellen in Russland oder der Teilrepublik Tschetschenien, den Mord in Auftrag gegeben zu haben. Der Kreml hat bestritten, in den Fall verwickelt zu sein.
Russland:Putin gibt Falschbehauptung im Mordfall von Berlin zu
Russland hatte Deutschland vorgeworfen, den im Tiergarten ermordeten Georgier trotz Gesuchs nicht ausgeliefert zu haben. Nun sagt Putin, es habe nie ein offizielles Auslieferungsgesuch gegeben.
Die Entwicklung der von internationalen Sanktionen wegen der Ukraine-Krise und der Annexion der Krim belasteten russischen Wirtschaft deutete Putin positiv. "Ja, die Sanktionen beeinträchtigen uns", räumte er ein. "Die Weltbank hat errechnet, dass die Sanktionen Russland 50 Milliarden Dollar im Jahr kosten." Doch es gebe auch positive Aspekte, weil die russische Wirtschaft inzwischen selber Waren herstelle, die sie wegen der Sanktionen nicht mehr importieren könne. "Wir haben einen eigenen Motorenbau für Hubschrauber und Hochseeschiffe aufgebaut", freute sich der Kreml-Chef.
Auch in der Landwirtschaft hätten sich die Sanktionen gut auf Russland ausgewirkt: "Wir sind zum größten Getreideexporteur vor den USA und Kanada geworden", betonte Putin, "die Sowjetunion war dagegen noch auf Getreideimporte angewiesen."
Staatsmann mit Detailwissen
Beim politischen Showdown in den USA stellte sich Putin auf Trumps Seite. Das von den Demokraten im Repräsentantenhaus eingeleitete Amtsenthebungsverfahren werde im Senat keine Chance haben, in dem Trumps Republikaner in der Mehrheit sind. Die Anklage gegen Trump seien außerdem weit hergeholt; "die Partei, die die Wahlen (2016) verloren hat, versucht, Ergebnisse mit anderen Mitteln zu erzielen", sagte er.
Wie immer bei seinen öffentlichen Auftritten präsentierte sich Putin als Staatsmann, der alles im Griff hat - und über großes Detailwissen verfügt, egal ob es um die Zahl neuer Kernkraftblöcke (16) oder die Anzahl aller russischen Parteien (54) ging. Die Industrie sei modernisiert worden, drei Viertel der Ausrüstung sei nicht älter als zwölf Jahre. Es seien drei neue Flughäfen, zwölf neue Bahnhöfe gebaut und die Zahl der Autobahnen verdoppelt worden.
Nur die Frage nach seiner politischen Zukunft nach Ablauf seiner Amtszeit 2024 ließ der Mann offen, der seit zwei Jahrzehnten in wechselnden Funktionen an der Macht ist. Keine Antwort auf die Frage, ob er Staatschef einer Russisch-Weißrussischen Union werden wolle. Keine klare Antwort auf die Frage, ob die Verfassung geändert werden könnte, in Richtung einer anderen Machtbalance zwischen Präsident und Ministerpräsident. Über solche Änderungen müsse zunächst ausführlich öffentlich diskutiert werden, beschied Putin.