Putins Besuch bei Merkel in Berlin:Momentaufnahme einer durchwachsenen Beziehung

Das syrische Regime mordet, die russische Regierung sperrt sich gegen Sanktionen. Angela Merkel hat bei Wladimir Putins Stippvisite in Berlin die fast unmögliche Aufgabe, dem russischen Präsidenten Zugeständnisse in der Syrien-Frage abzuringen. Putin gibt sich konstruktiv - und bewegt sich in der Sache doch kein bisschen.

Daniel Brössler, Berlin

Es hat ein bisschen länger gedauert in Minsk. Als Wladimir Putin mit einstündiger Verspätung in Berlin eintrifft, kommt er vom Antrittsbesuch beim weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. "Allein die Tatsache, dass mein erster Auslandsbesuch dem Bruderland Weißrussland gilt, zeigt die besondere Art unserer Beziehungen", hatte Putin dort gesagt.

German Chancellor Angel Merkel Meets Russia's President Vladimir Putin

Mit Putin verbindet Merkel eine durchwachsene Beziehung, die irgendwo zwischen Skepsis und Pragmatismus changiert.

(Foto: Bloomberg)

Die deutsche Hauptstadt streift der Präsident gewissermaßen auf der Durchreise, was über die Beziehungen ja auch etwas sagt. Er muss am selben Tag noch weiter nach Paris, wo der neue französische Präsident François Hollande wartet, den Putin im Gegensatz zur deutschen Kanzlerin noch gar nicht kennt und der schon hat wissen lassen, dass er mit dem Russen ganz dringend über Syrien sprechen will.

Der Mann, den Angela Merkel schließlich mit einem Lächeln und einem angedeuteten Küsschen begrüßt, ist, wenn man so unterschiedlichen Menschen wie US-Außenministerin Hillary Clinton und ihrem deutschen Kollegen Guido Westerwelle glaubt, derjenige, der etwas tun könnte für die geschundenen Menschen in Syrien.

"Ich glaube, dass sie das Regime im Endeffekt stützen, während wir versuchen sollten, an einem politischen Übergang zu arbeiten", hatte Clinton am Vortag in Kopenhagen über die Russen gesagt. "Russland und seine Haltung zum Regime Assad spielen in der Syrien-Frage eine Schlüsselrolle", erklärte auch Westerwelle.

"Nieder, nieder mit Putin"

Nicht erst seitdem Putin in den Kreml zurückgekehrt ist, widersetzt sich Russland Sanktionen gegen das Regime in Damaskus. Nicht erst seitdem beliefert es die Truppen von Präsident Baschar al-Assad mit Waffen. Dennoch ist der Konflikt um Syrien zum Paradebeispiel für jene Außenpolitik geworden, mit der das Russland des Wladimir Putin dem Westen entgegentritt. "Nieder, nieder mit Putin" und "Bombardiert Assad" schreien Demonstranten, die vermutlich aus Syrien stammen, vor den Toren des Kanzleramts, während Merkel mit ihrem Gast die Ehrenformation abschreitet.

Putin gerade in der hoch emotionalisierten Syrien-Frage Zugeständnisse abzuringen, ist die fast unmögliche Aufgabe, die sich Merkel stellt, als das Arbeitsessen beginnt. Putin ist, wie sich dabei herausstellt, zumindest nicht auf Krawall gebürstet. Er gibt sich konstruktiv, sagt, er wolle mit den Partnern nach einer Lösung suchen für Syrien. Stärkeren Druck auf das Regime in Damaskus freilich verspricht er nicht. Assad ins Exil zu drängen, steht nicht auf seiner Agenda.

Mit Putin verbindet Merkel eine durchwachsene Beziehung, die irgendwo zwischen Skepsis und Pragmatismus changiert. "Wir haben auch über Dinge gesprochen, wo wir vielleicht noch nicht immer gleich einer Meinung sind." Das waren die Worte der Kanzlerin während ihres Antrittsbesuchs bei Putin 2006 in Moskau.

Außenpolitik als Randthema

Damals meinte sie die Lage in Tschetschenien und die Beschneidung der Rechte von Nicht-Regierungs-Organisationen. Diesmal, während des umgekehrten Antrittsbesuchs, verwendet sie diesen Satz nicht. Er versteht sich gewissermaßen von selbst, und Merkel will den Eindruck vermeiden, es gehe gleich schon wieder schlecht los mit Putin.

Bundeskanzlerin Merkel empfaengt Russlands Praesidenten Putin

"Das jüngste Massaker in Haula hat uns noch einmal vor Augen geführt, wie schrecklich die Menschenrechtslage in Syrien ist": Angela Merkel beim Besuch des russischen Präsidenten.

(Foto: dapd)

Es deute "auf gute und intensive Beziehungen hin", sagt sie nach dem Gespräch, dass der Präsident einen seiner ersten Antrittsbesuche in Deutschland mache. Sie spricht dann ziemlich viel über die Wirtschaft, nennt Zahlen, kommt zum Euro und landet erst nach einer ganzen Weile beim "außenpolitischen Bereich". Da habe man natürlich über Syrien gesprochen.

"Das jüngste Massaker in Haula hat uns noch einmal vor Augen geführt, wie schrecklich die Menschenrechtslage in Syrien ist", sagt Merkel, wobei das "Wir" Putin miteinschließen soll. "Wir haben beide deutlich gemacht, dass wir auf eine politische Lösung setzen", versichert die Kanzlerin.

Annans Friedensmission braucht ein Druckmittel

Im Prinzip stimmt es ja, dass in dieser Hinsicht Einigkeit besteht. Die deutsche Regierung glaubt so wenig wie die russische, dass ein von Hollande ins Gespräch gebrachter UN-Militäreinsatz in Frage kommt. Merkel denkt allerdings auch nicht, dass die Friedensmission des UN-Sondergesandten Kofi Annan ohne zusätzlichen Druck noch eine Chance hat.

Es müsse, verlangt sie, "mit aller Kraft und allem Nachdruck gerade im UN-Sicherheitsrat daran gearbeitet werden", dass der Plan auch umgesetzt werden könne. "Jeder muss versuchen", appelliert Merkel, "seinen Beitrag zu leisten." Das gilt vor allem dem Mann zu ihrer Rechten, aber deutlicher wird sie nicht.

Ob Hillary Clinton denn recht habe, wird Putin gefragt. "Diese Leute", die Russland unterstellten, das Regime zu schützen, "irren sich", antwortet er zahm. Er spricht von der "gemeinsamen Aufgabe", einen Bürgerkrieg zu verhindern und davon, dass Annan geholfen und eine Eskalation vermieden werden müsse.

Die russische Position bleibt also unverändert. Putin hat sie nur, anlässlich seines Antrittsbesuchs, in Watte gepackt. Sein Land, lässt er noch wissen, liefere keine Waffen an Syrien, die in einem Bürgerkrieg eingesetzt werden könnten. Das dürfte auch den Kollegen Hollande interessieren, der in Paris schon wartet.

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