Süddeutsche Zeitung

Putin und Xi:Zwei gefährliche Freunde

Russlands Präsident Putin und sein chinesischer Amtskollege Xi und Putin zelebrieren bei einem Treffen ihre Freundschaft. Die freien Gesellschaften haben allen Grund, sich davor zu fürchten.

Kommentar von Lea Deuber

Fast 30 Mal hat sich Xi Jinping seit seinem Amtsantritt im Jahr 2013 schon mit seinem russischen Kollegen Wladimir Putin getroffen. Man telefoniere zudem regelmäßig und schreibe sich Briefe, schwärmte Chinas Präsident diese Woche bei seinem Besuch anlässlich des 70. Jubiläums der Aufnahme von diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern. Putin sei sein "bester und engster Freund".

Bisher betrachteten Beobachter die Annäherung zwischen der Volksrepublik und Russland eher skeptisch. Viele hielten die neu aufblühende Partnerschaft für eine kurzweilige, aber langfristig zum Scheitern verurteilte Liaison zweier Staatsmänner. Denn in den vergangenen Jahrzehnten schwankten die Beziehungen zwischen Russland und China stets zwischen Kooperation und Konfrontation. Es gibt viel historisches Konfliktpotenzial. Die wirtschaftliche und militärische Rivalität im Wettstreit um Einfluss in Zentralasien und anderen Regionen der Welt ist groß. China hat die russische Annexion der Krim nicht anerkannt. Russland unterstützt die Territorialansprüche Chinas im Südchinesischen Meer nicht. Zudem liefert Russland Waffen an Chinas Rivalen Indien und Vietnam. Die von beiden Seiten beschworene engere wirtschaftliche Zusammenarbeit bleibt seit Jahren trotz hoher Investitionen hinter den Erwartungen zurück. Das Ziel, bis 2020 ein Handelsvolumen von 200 Milliarden US-Dollar zu erreichen, verfehlen die Länder.

Symptom einer globalen Machtverschiebung

Die EU und Deutschland sollten die neue Allianz der autokratischen Staaten trotzdem nicht unterschätzen. Sie ist kein Wirtschaftsbündnis, sondern eine geopolitische Partnerschaft. Xi und Putin eint ein Ziel, das für beide in der aktuellen Situation weit wichtiger ist als mögliche bilaterale Konflikte: die Feindschaft gegenüber den USA und deren Alliierten sowie der Kampf gegen eine angebliche amerikanische hegemoniale Dominanz im internationalen System.

Die engeren Beziehungen sind Symptom einer globalen Machtverschiebung in Richtung Asien, die seit Ende des Kalten Krieges voranschreitet. Sorge bereitet dabei vor allem die Art der Zusammenarbeit. Beide Länder verbindet ihre verachtende Haltung gegenüber der Demokratie, der liberalen und offenen Gesellschaften sowie der Freiheit. Zu Hause bauen sie ihre autokratischen Regime aus. Russland soll bereits Interesse angemeldet haben an der chinesischen Technologie zur Überwachung seiner Bevölkerung. Gleichzeitig verstärken die Staaten systematisch ihren globalen Einfluss, um das Gewicht demokratischer Staaten in Organisationen wie den Vereinten Nationen, dem Internationalen Währungsfonds, der Welthandelsorganisation und der Weltbank zu schwächen. Dabei teilen sie einen offenbar unstillbaren Machthunger und den Willen, demokratische Strukturen nachhaltig zu vernichten.

Während die zerstörerische Politik in Russland seit Jahren an der Tagesordnung ist, war die destruktive Haltung gegenüber der internationalen Nachkriegsordnung in China lange eher Rhetorik. In China reiße man keine Tempel ein. Man baue neue, hieß es in Peking. Spätestens durch den Handelskrieg hat sich das geändert. Wegen der unberechenbaren Politik der USA empfindet Peking die Ausweitung seines Einflusses inzwischen als Überlebensfrage. Das macht das russisch-chinesische Bündnis so gefährlich.

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Quelle:
SZ vom 07.06.2019
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