Putin in Versailles:Pompöse Begegnung unter Blattgold und Lüstern

French President Emmanuel Macron and Russian President Vladimir Putin give a joint press conference at the Chateau de Versailles before the opening of an exhibition marking 300 years of diplomatic ties between the two countries in Versailles

Emmanuel Macron (r.) begrüßt den russischen Präsidenten Waldimir Putin im Schloss Versailles.

(Foto: REUTERS)
  • Beim Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Frankreich zeigt sich, dass ein "herzliches" Aufeinandertreffen noch keinen Neubeginn macht.
  • Paris und Moskau trennen weiterhin Welten, etwa wenn es um den Ukraine-Konflikt geht.
  • Derweil versichern französische Diplomaten, dass Macron längst mit einem anderen Staatsoberhaupt zum neuen "power couple" herangewachsen sei.

Von Christian Wernicke, Paris

Ein Händedruck zwischen Staatsmännern, so hat Emmanuel Macron kürzlich gesagt, sei stets "ein Moment der Wahrheit". Am Montag hat Frankreichs Präsident zwar lange warten müssen auf den erhellenden Augenblick. Die schwarze Limousine seines russischen Gastes rollte mit über einer halben Stunde Verspätung in den Innenhof des Schlosses von Versailles. Aber dann ergriff Macron seinen "moment de vérité" voller Lust: Mit der Rechten schüttelte der Franzose die Hand von Wladimir Putin, derweil er mit der Linken zusätzlich dessen Ellbogen umfasste. Ein Lächeln, ein freundliches Kopfnicken - sind dies also tatsächlich die Zeichen eines Neubeginns, von denen vor allem russische Diplomaten vorab orakelt hatten?

Die Wahrheit fiel am Ende bescheidener aus. Macron und Putin hätten zwar "herzlich", aber eben auch "direkt und offen" miteinander gesprochen, hieß es hernach aus dem Elysée. Das sind Adjektive, mit denen Diplomaten gemeinhin einen halbwegs zivilisierten Austausch unüberbrückbarer Gegensätze beschreiben.

Paris und Moskau trennen also weiter Welten, wenn sie etwa auf Krieg und Terror in Syrien blicken: Macron warnte nach dem Treffen mit Putin vor weiteren Chemiewaffeneinsätzen in dem Bürgerkriegsland. Die Regierung in Damaskus bestreitet, Giftgas einzusetzen - und mit ihr ihr Verbündeter Russland. Frankreich werde für jede weitere derartige Aktion Vergeltung üben, sagte Macron in Versailles. Auch wenn die beiden Staatschefs vom Konflikt in der Ukraine reden, zeigen sich die Gegensätze. Macron erwartet von Moskau wie von Kiew mehr Willen zu Frieden und Kompromiss. Er wolle "einen anspruchsvollen Dialog mit Russland", hatte er vorab betont, "ohne Konzessionen". Putin kritisierte dagegen die wegen der Krise gegen sein Land verhängten Sanktionen: Diese trügen "in keiner Weise" zur Lösung des Konflikts bei. Immerhin, ein neues Treffen im sogenannten Normandie-Format - also unter der Teilnahme Russlands, der Ukraine, Deutschlands und Frankreichs - soll bald stattfinden. Es gebe den Willen, zu einer Deeskalation des Konflikts zu kommen, sagte Macron.

Symbolischer Staatsbesuch im Interesse zweier Männer

Die pompöse Begegnung unter Blattgold und Lüstern von Versailles war nie angelegt gewesen als ein Versuch, die Welt zu verändern. Macron ist überzeugter Europäer, er konnte und wollte nicht revidieren, was die EU-Staaten seit Jahr und Tag etwa zu Syrien, zur Ukraine oder auch zur Krise in Libyen beschlossen haben.

Versailles 2017, das war ein symbolischer Akt im Interesse zweier Männer, im Namen zweier Nationen. Macron, der junge Präsident, wollte sich seinen Landsleuten als würdiges Staatsoberhaupt präsentieren. Und Putin kam ins Schloss von Sonnenkönig Ludwig XIV., um zu demonstrieren, dass er als Partner des Westens ebenso wichtig wie unumgänglich ist. Es war die bilaterale Geschichte, die beiden Herren eine Brücke eröffnet hatte.

Vor genau 300 Jahren hatte der russische Zar Peter der Große einen ebenfalls sehr viel jüngeren französischen Machthaber in Versailles besucht: König Ludwig XV. war gerade sieben Jahre alt, als der Russe 1717 die Eröffnung diplomatischer Beziehungen anbot. Macron und Putin eröffneten am Montag in Versailles eine Ausstellung, die die historische Annäherung vor drei Jahrhunderten würdigt.

Neues Kapitel in den französisch-russischen Beziehungen soll aufgeschlagen werden

Doch trotz ihres Händedrucks wahren beide weiter Distanz. Zwar hatte der Franzose sofort zugestimmt, als ihm der Russe am 8. Mai, dem Tag nach dem Sieg bei der Präsidentschaftswahl, anbot, man möge doch "das wechselseitige Misstrauen überwinden". Unter Macrons Vorgänger François Hollande war das französisch-russische Verhältnis arg abgekühlt.

Aktuelles Lexikon: Händedruck

Der Handschlag gehört zu den wichtigen Kulturtechniken der westlichen Welt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière hält ihn sogar für so elementar, dass er ihn in seinem Kanon deutscher Leitkultur aufführte: "Wir geben uns zur Begrüßung die Hand." Entscheidend beim Handschlag ist jedoch der Händedruck. Fällt er zu weich aus, ist schnell vom "Waschlappen" oder vom "toten Fisch" die Rede; ist der Druck zu hoch, wird ein Handschlag zum "Schraubstock" oder gar zum "Knochenbrecher". Von einem weichen, flüchtigen Händedruck schließen viele auf eine scheue und zimperliche Persönlichkeit, die zu feste Variante gilt leicht als Drohgebärde. Deshalb lernen Kinder früh, die richtige Mischung aus Gefühl und Härte einzusetzen. So wird dem Gegenüber Respekt gezollt. Zahlreiche Mediziner warnen jedoch davor, sich überhaupt die Hände zu geben, da so leicht Keime übertragen werden können. Aus diesem Grund hatte sich Donald Trump im Wahlkampf zeitweise geweigert, Hände zu schütteln; dies sei "barbarisch". Inzwischen scheint der US-Präsident den Händedruck als eine Art Waffe zu verwenden, Japans Premier konnte ihm seine Hand erst nach 19 Sekunden unter Schmerzen entwinden. Frankreichs neuer Präsident setzte beim G-7-Gipfel nun seinerseits einen sehr festen Händedruck gegen Trump ein. "So verschafft man sich Respekt", sagte Emmanuel Macron. Jan Heidtmann

Nun, so versicherte ein Élysée-Berater, wolle man zwar "ein neues Kapitel" aufschlagen: "Aber wir vergessen nicht, was war." Noch vor vier Wochen hatten russische Staatsmedien von einer möglichen Präsidentin Marine Le Pen geschwärmt, auch der russophile Republikaner François Fillon wäre dem Kreml als Wahlsieger lieber gewesen. Und enge Vertraute versichern, mutmaßlich russische Hackerangriffe auf Macrons Wahlkampfzentrale hätten beim Präsidenten "bleibende Spuren" hinterlassen.

Merkel und Macron sollen Europas neues "power couple" sein

Versailles 2017, das waren am Ende mehr Bilder als Beschlüsse. Macron sammelt seine "Momente der Wahrheit" wie schon vorige Woche mit dem Amerikaner Donald Trump in Brüssel. Frankreichs Präsident genießt nach seinen ersten internationalen Auftritten eine überaus wohlwollende Presse. Vom Elysée kräftig genährt wird die Deutung, nach nur drei Wochen seien Macron und die deutsche Kanzlerin zu einem neuen "power couple" herangewachsen. Französische Diplomaten wollen sogar schon eine Arbeitsteilung zwischen beiden ausmachen: Merkel spiele vorerst den "bad cop", aus Berlin erschalle die strenge Kritik etwa an Putin oder auch an Trump. Derweil dürfe der freundliche Macron den "good cop" spielen: Er lobt Trumps "Offenheit". Und auch mit Putin ist nun ein Anfang gemacht.

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