Süddeutsche Zeitung

Putin in Italien:Große Show auf südlicher Bühne

Russlands Präsident Wladimir Putin nutzt seinen Besuchstag in Italien: Er schafft es, alle Großen zu treffen. Vor allem die Audienz bei Papst Franziskus ist ihm wichtig.

Von Oliver Meiler, Rom

Eben noch geschmäht, plötzlich freundschaftlich umgarnt. Nach seiner Ächtung beim G-7-Treffen in Elmau, wo ihm der Westen am Wochenende härtere Sanktionen angedroht hatte, gelang Wladimir Putin nun ein diplomatischer und medialer Coup, eine zwischenzeitliche Befreiung aus der Isolation.

Und, wenig überraschend, war es das politisch befreundete und wirtschaftlich eng verbündete Italien, das ihm die Bühne dafür bot: bei der Expo in Mailand mit Premier Matteo Renzi, danach im Vatikan mit dem Papst, später im römischen Quirinalspalast mit Staatspräsident Sergio Mattarella, zum Schluss am Flughafen Fiumicino mit Silvio Berlusconi - alles an einem Tag, ein Programm im Stakkato.

"Lo Zar", wie die italienischen Medien den russischen Präsidenten fast ironiefrei nennen, war so sehr um gute Bilder fürs Publikum daheim bemüht, dass er etwa beim Besuch der Weltausstellung nur die 70 mitgereisten Reporter in seine Nähe ließ. Den Italienern wurden Filmplätze am Rand zugewiesen. Der Rest war Idylle: Parade, Fahnenhissen, nette Worte, kleine Scherze.

Die Bande zwischen Rom und Moskau haben den Ukraine-Konflikt überstanden

Putin: "Italien ist ein großer Partner Russlands in Europa." Renzi: "Caro Presidente Putin. Wir erleben schwierige Zeiten auf internationalem Parkett, manche Fragen entzweien uns." Alles hänge nun davon ab, ob das Abkommen Minsk II eingehalten werde. Renzi nannte es einen "Fixstern", und es hörte sich so an, als habe Putin, der bei der Pressekonferenz neben ihm stand, mit diesem Gelingen gar nichts zu tun. Der Italiener witzelte noch über Fußball und Wodka, was den Russen sichtlich belustigte. Lächeln, Dank. Es war ein Heimspiel.

Die politischen Bande zwischen Rom und Putin überstanden bisher alle Zerwürfnisse, die der Konflikt in der Ukraine verursacht hatte. Sie sind schon alt. Besonders stark waren sie während der Regierungszeit Berlusconis, den mit Putin eine enge Männerfreundschaft mit durchaus folkloristischen Noten verbindet. Putin lud Berlusconi schon in seine Datscha ein, Berlusconi öffnete Putin seine Villa auf Sardinien. Es gibt Bilder, die von schier brüderlicher Nähe zeugen.

Doch Putin verstand sich auch mit den linken Premiers Prodi, D' Alema, Letta, und er versteht sich jetzt mit Renzi. Der war der erste westliche Regierungschef, der Putin nach der Annektierung der Krim in Moskau besuchte. Das war im März. In Washington, so erfuhr man in Rom hernach, kam das Hofieren des Schmähwürdigen gar nicht gut an.

Renzi vollführt in diesem Dossier einen Spagat: Er kann sich schlecht von der Sanktionspolitik distanzieren. Die Beschlüsse trägt er denn auch ausnahmslos mit, behält sich aber zugleich vor, den privilegierten Draht nach Moskau nicht zu kappen. Die Zeitung La Repubblica ist gar überzeugt, dass Rom mit dem Einverständnis der Partner in Europa den Brückenkopf gibt, über den man Putin trotz allem bei Laune halten will.

Druck erfährt Renzi auch daheim, von seinen innenpolitischen Gegnern und von der besorgten italienischen Wirtschaft. Berlusconi und Matteo Salvini, Chef der Lega Nord, sind "Putin-Enthusiasten". Die Rechtspolitiker warten nur auf einen Fauxpas Renzis, um sich selber als Russland-Versteher und Realpolitiker zu profilieren.

Realismus fordert aber vor allem die italienische Industrie. Hinter Deutschland ist Italien der zweitgrößte Handelspartner Russlands in Europa. Die Zahlen sind so imposant, dass sich Putin vor seiner Reise in einem Gespräch mit dem Mailänder Corriere della Sera gedrängt fühlte, sie im Detail aufzulisten: 49 Milliarden Dollar betrug das Handelsvolumen zwischen den beiden Ländern 2013, also vor den Sanktionen, nachdem sie sich in den Jahren zuvor "verelffacht" hätten.

Franziskus hat Moskau bisher nie öffentlich gerügt

Die Sanktionen stoppten den Boom seither jäh: minus 20 Prozent. Und weil Italiens Wirtschaft insgesamt kaum wächst, schmerzen die Ausfälle in diesem traditionell wichtigen Markt besonders. Putin richtete nun mit einem leicht süffisanten Ton aus, Russland finde schon Alternativen zu den italienischen Unternehmen, wenn die Sanktionen noch lange andauern sollten: "Aber das wäre schade."

Er kam mit einer Stunde Verspätung, doch der Termin beim Papst war für Putin mindestens so wichtig. Er sollte wohl eine möglichst universelle Strahlkraft entfalten. Nach dem Treffen im November 2013 war das seine zweite Privataudienz bei Franziskus. Die beiden verstehen sich offenbar.

Laut Vatikansprecher Federico Lombardi rief der Papst nun bei der 50 Minuten dauernden Audienz zu Anstrengungen auf, den Ukraine-Konflikt zu lösen. Alle Parteien sollten sich einbringen. Damit sich der Gast auch daran erinnert, schenkte Franziskus ihm ein Münze mit einem Friedensengel. Putin schätzt, dass der Papst bisher Moskau beim Thema Ukraine bisher nie öffentlich gerügt hat - zur Verärgerung Kiews und der griechisch-orthodoxen Gemeinde dort. Im Vatikan sieht man den Ärger der Ukrainer wohl als kleineres Übel.

In erster Linie sorgt sich der Papst vor neuer Kälte in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen, die wohl zwangsläufig auch die Einigungsbemühungen mit der russisch-orthodoxen Kirche beeinträchtigen würde. Putins Wohlwollen wiegt da schwer. Man hört, der Kreml habe, sobald die Reise zur Expo beschlossen war, um eine Audienz angehalten. Und der Vatikan soll dem unüblich schnell stattgegeben haben - trotz der vollen Agenda des Papstes.

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SZ vom 11.06.2015/fued
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