Puigdemont vor der Haftentlassung:Staatsanwaltschaft wartet offenbar noch auf Kaution

  • Der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont kommt aus deutscher Haft frei, muss sich aber an Auflagen halten.
  • Das Gericht geht nicht davon aus, dass Puigdemont wegen des Vorwurfs der Rebellion ausgeliefert werden kann, sondern nur wegen Korruption. Damit könnte er in Spanien auch nur deswegen verurteilt werden.
  • Puigdemont selbst dankte seinen Unterstützern auf Twitter. Die spanische Regierung reagierte mit Bedauern, betonte aber, die Entscheidung zu akzeptieren.

Der katalanische Separatistenführer Carles Puigdemont könnte schon innerhalb der nächsten Stunden aus der Auslieferungshaft in Deutschland entlassen werden. Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht hat am Donnerstag zwar einen Auslieferungshaftbefehl erlassen, ihn aber unter Auflagen ausgesetzt. Zu den Auflagen der Haftverschonung gehört eine Kaution von 75 000 Euro. Puigdemonts deutscher Anwalt Till Dunckel sagte, man wolle so schnell wie möglich die Auflagen erfüllen, damit der 55-Jährige sofort aus der Justizvollzugsanstalt Neumünster freigelassen werden könne.

Bislang hat er die Kaution aber offenbar noch nicht gezahlt. Puigdemont komme erst frei, nachdem ihrer Behörde der Eingang der 75 000 Euro nachgewiesen worden sei, sagte eine Sprecherin der Generalstaatsanwalt. Sie könne diesen Zahlungseingang noch nicht bestätigen.

Vor dem Gefängnis warten bereits Schaulustige. Puigdemont selbst schrieb am Freitag auf Twitter: "Wir müssen mit Hoffnung und Optimismus in die Zukunft schauen, weil wir dazu das Recht haben; wir haben das Recht, dass uns niemand unserer Zukunft beraubt. Wir müssen unsere Position halten und uns jetzt nicht zurückziehen."

Bereits am Donnerstagabend hatte er optimistisch getwittert: "Bis morgen. Danke an alle!"

Die spanische Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy reagierte mit Bedauern. "Einige Justizentscheidungen gefallen uns besser, andere weniger", sagte Justizminister Rafael Catalá in einer ersten Reaktion in Madrid. Justizentscheidungen seien aber zu akzeptieren. Über die Möglichkeit eines Einspruchs müsse die deutsche Staatsanwaltschaft entscheiden.

Von vielen Katalanen wurde die Nachricht aus Deutschland mit Begeisterung aufgenommen. Puigdemonts Unterstützer begrüßten die Entscheidung des Gerichts. "In Deutschland gibt es Gerechtigkeit", schrieb Josep Costa, der erste Vizepräsident des katalanischen Parlaments, auf Twitter. Er dankte den Menschen, die geholfen hatten, das Geld für die Kaution zusammenzubekommen.

Für die Haftverschonung muss Puigdemont neben der Kautionszahlung vier weitere Auflagen erfüllen: Er darf Deutschland nicht verlassen, muss jeden Wechsel des Aufenthaltsorts mitteilen, sich einmal wöchentlich bei der Polizei in Neumünster melden und hat Ladungen des Generalstaatsanwalts und des Oberlandesgerichts zu folgen.

Puigdemont werde voraussichtlich nicht wegen Rebellion ausgeliefert, ein Vorwurf, den die spanische Regierung gegen den katalanischen Separatistenführer erhebt, heißt es in einer Mitteilung des Gerichts. "Der I. Strafsenat ist der Auffassung, dass sich hinsichtlich des Vorwurfs der 'Rebellion' die Auslieferung als von vornherein unzulässig erweist." Als Begründung nennt das Gericht, dass das Puigdemont in Spanien zur Last gelegte Verhalten in Deutschland nicht strafbar wäre. In einem solchen Fall ist eine Auslieferung unzulässig. Der vergleichbare deutsche Straftatbestand des Hochverrats sei "nicht erfüllt, weil es an dem Merkmal der 'Gewalt'" fehle, erklärte das Gericht.

Anders sei der Fall beim Vorwurf der Korruption in Form der Untreue gelagert. Dieser Auslieferungsgrund erweise sich nicht "als von vorneherein unzulässig". Nach Ansicht der Richter kann der Politiker aber unter Auflagen freikommen, weil der Vorwurf der Untreue nicht so schwer wiegt.

Dieser Aspekt könnte sich als bedeutend herausstellen, da Puigdemont nach europäischem Recht nach einer möglichen Auslieferung an Spanien dort nur wegen der Gründe angeklagt werden könnte, wegen derer er auch ausgeliefert wurde. Dann könnte er dort nicht mehr wegen Rebellion verurteilt werden. Auf Rebellion stehen in Spanien bis zu 30 Jahre Gefängnis.

Ob er am Ende tatsächlich von Deutschland an Spanien ausgeliefert wird, muss nun die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig-Holstein entscheiden. Allerdings kann der Katalane gegen eine mögliche Auslieferungsentscheidung dann Beschwerde einreichen. Das Oberlandesgericht signalisierte auch, dass beim Vorwurf der Untreue "noch weitere tatsächliche Umstände zu klären und weitere Informationen einzuholen" seien. Anhaltspunkte dafür, dass Puigdemont der Gefahr einer "politischen Verfolgung" in Spanien ausgesetzt wäre, sah das Gericht nicht.

Nach der Aussetzung des Haftbefehls hat die Bundesregierung auf die Zuständigkeit der Justiz verwiesen. "Die Frage der Einbeziehung des Bundes stellt sich bei diesem Thema nicht", sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer am Freitag in Berlin. Das Verfahren liege in den Händen der Justiz in Schleswig-Holstein, "und da liegt es gut".

Puigdemont ist der führende Kopf der Unabhängigkeitsbewegung in Katalonien. Im Herbst 2017 war seine Regierung wegen separatistischer Bestrebungen des Amtes enthoben worden. Die spanischen Behörden legen ihm zur Last, für das illegale Unabhängigkeitsreferendum mehr als eineinhalb Millionen Euro veruntreut zu haben. Die Versuche, Katalonien von Spanien abzuspalten, wurden als Rebellion eingestuft. Puigdemont flüchtete daraufhin nach Belgien, um der Strafverfolgung durch die spanische Justiz zu entgehen. Ende März wurde er auf der Durchreise von Finnland nach Belgien in Norddeutschland festgenommen.

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