Süddeutsche Zeitung

Kataloniens Ex-Regierungschef:Puigdemont in Italien verhaftet

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Ob Kataloniens Ex-Regierungschef nun an Spanien ausgeliefert wird, ist offen. Er wartet auf seine Anhörung vor einem Gericht in Sardinien.

Nach seiner Verhaftung auf Sardinien wartet der frühere katalanische Regierungschef Carles Puigdemont auf eine erste Anhörung vor einem Gericht in Sassari. Agostinangelo Marras, der Anwalt des Politikers, sagte am Freitagmorgen laut Nachrichtenagentur Ansa, es sei noch kein Termin festgelegt worden. Marras gab an, noch am Freitag oder erst am Samstag könnte das Berufungsgericht von Sassari über seinen Mandanten verhandeln und das weitere Vorgehen klären. Sowohl das Gericht als auch er warteten auf offizielle Dokumente. Puigdemont war am Donnerstagabend bei seiner Landung auf Sardinien festgenommen worden, die Grundlage war ein von Spaniens Oberstem Gerichtshof 2019 ausgestellter Europäischer Haftbefehl gegen den in Belgien lebenden Politiker. Dem 58-Jährigen könnte nun die Auslieferung und Übergabe an die spanischen Behörden drohen.

Die Festnahme dürfte den gerade erst begonnenen Dialog zwischen der spanischen Zentralregierung in Madrid und der separatistischen Regionalregierung in Barcelona über eine Beilegung der jahrelangen Krise noch schwieriger machen. Spanien wirft Puigdemont und anderen Separatisten wegen des illegalen Unabhängigkeitsreferendums in Katalonien vom 1. Oktober 2017 und der versuchten Abspaltung der Region unter anderem Rebellion vor. Puigdemont ist die bestimmende Kraft im Lager der Separatisten, die einer Verhandlungslösung des Konflikts keine Chancen einräumen und die Unabhängigkeit der Region notfalls gegen den Widerstand des Rests Spaniens durchsetzen wollen.

Seine Partei Junts per Catalunya (als Wahlbündnis JuntsxCat) ist in der Koalitionsregierung in Barcelona Juniorpartner der linken, gemäßigteren Separatistenpartei ERC, die mit Pere Aragonès den katalanischen Regionalregierungschef stellt. Aragonès hatte vergangene Woche mit Spaniens Regierungschef Pedro Sánchez den Dialog über die Zukunft Kataloniens wiederaufgenommen. Beide wurden dafür scharf kritisiert, Aragonès von den unnachgiebigen Separatisten, Sánchez von der nationalkonservativen Opposition.

Das Europaparlament hatte die Immunität Puigdemonts aufgehoben

Puigdemont sei nach Sardinien gereist, um an einem Treffen unabhängiger Kommunalpolitiker Sardiniens teilzunehmen. Er werde auf dem Flughafen der Stadt Alghero von der Polizei festgehalten und solle am Freitag dem Berufungsgericht in der Stadt Sassari überstellt werden, berichtete die Zeitung El País unter Berufung auf das Umfeld Puigdemonts. Das Gericht müsse prüfen, ob Puigdemont freigelassen oder an Spanien ausgeliefert werde. Eine Bestätigung der Festnahme durch italienische Stellen lag nicht vor.

Puigdemont genießt als Abgeordneter des Europäischen Parlaments eigentlich Immunität. Das Europaparlament hatte allerdings die Immunität Puigdemonts und zwei weiterer separatistischer Europaabgeordneter aus Katalonien aufgehoben. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg (EuGH) hatte den von Puigdemont beantragten vorläufigen Rechtsschutz in Form einer Aussetzung der Aufhebung der Immunität abgelehnt. Es werde in Kürze eine Entscheidung in der Hauptsache geben.

Laut Puigdemonts belgischem Anwalt Bekaert wird nun versucht, in Italien rechtlich gegen die Verhaftung vorzugehen. Zugleich bereite man schon einen Eilantrag auf Wiederherstellung der parlamentarischen Immunität beim EuGH vor, sagte der Jurist der dpa in der Nacht zum Freitag. Dieser solle eingereicht werden, wenn die italienischen Behörden Puigdemont nicht schnell freiließen oder sogar eine Auslieferung an Spanien in die Wege leiteten.

Der Gerichtshof habe in seiner jüngsten Entscheidung deutlich gemacht, dass Puigdemont bis zu einer endgültigen Klärung des Rechtsstreits um parlamentarische Immunität weder festgenommen noch ausgeliefert werden sollte, erklärte Bekaert. So sei ausdrücklich festgehalten worden, dass im Fall einer Festnahme erneut ein Antrag auf eine einstweilige Anordnung zur Wiederherstellung der parlamentarischen Immunität gestellt werden könne.

Puigdemont war nach dem verbotenen Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien im Oktober 2017 so wie einige andere seiner Mitstreiter ins Ausland geflohen. Seither verfolgt ihn die spanische Justiz. 2018 war er schon einmal in Deutschland festgenommen worden. Zu einer Auslieferung kam es jedoch nicht, weil das Oberlandesgericht in Schleswig einer Auslieferung nur wegen des Vorwurfs der Veruntreuung öffentlicher Gelder zustimmte. Spanien hätte ihn dann nicht wegen Rebellion anklagen können und zog seinen Europäischen Haftbefehl deshalb zurück.

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