Prozess um SS-Wachmann:"Es tut mir leid"

Der 94-jährige Angeklagte äußert sich erstmals vor dem Gericht über seine Zeit in Auschwitz: Reinhold Hanning sagt, er habe durchaus gewusst, was in dem Konzentrationslager vor sich ging - und er bereue, dass er nie etwas unternahm.

Von Hans Holzhaider

Detmold - Im Prozess gegen den ehemaligen SS-Wachmann Reinhold Hanning, 94, hat der Angeklagte sein Schweigen gebrochen und sich für seine Tätigkeit im Konzentrationslager Auschwitz entschuldigt. "Ich möchte Ihnen sagen, dass ich zutiefst bereue, einer verbrecherischen Organisation angehört zu haben, die für den Tod vieler unschuldiger Menschen, für die Zerstörung unzähliger Familien, für Elend, Qualen und Leid auf Seiten der Opfer und deren Angehörigen verantwortlich ist", sagte Hanning. Er schäme sich dafür, dass er Unrecht sehend geschehen lassen und dem nichts entgegengesetzt habe. "Ich entschuldige mich hiermit in aller Form für mein Verhalten. Es tut mir aufrichtig leid."

Reinhold Hanning sagt, dass er durchaus wusste, was in Auschwitz geschah

Zuvor hatten Hannings Verteidiger Andreas Scharmer und Johannes Salmen eine Erklärung verlesen, die, wie sie sagten, auf Befragungen und Gesprächen mit ihrem Mandanten beruhten. Hanning räumt darin ein, dass er wusste, was in Auschwitz mit den Häftlingen geschah. "Wenn man längere Zeit da war, dann bekam man auch mit, was dort ablief", heißt es in der Erklärung. "Es wurden Menschen erschossen, vergast und verbrannt. Ich konnte sehen, wie Leichen hin- und hergefahren wurden. Ich nahm Verbrennungsgeruch war. Ich wusste, dass man Leichen verbrannte."

Er sei als 19-Jähriger zunächst zur Wehrmacht einberufen worden, berichtete Hanning seinen Anwälten, habe sich dann aber auf Betreiben seiner Stiefmutter, die Mitglied in der NSDAP war, freiwillig zur SS gemeldet. Nach einer schweren Verwundung an der Ostfront habe man ihn, weil er nach Ansicht seiner Vorgesetzten nicht mehr fronttauglich war, ins KZ Auschwitz geschickt. Dort sei er zum Wachdienst an der sogenannten Kleinen Postenkette, später, nach seiner Beförderung zum Unterscharführer, auch zur Bewachung von Gefangenen beim Arbeitseinsatz außerhalb des Lagers eingesetzt worden. Seine Aufgabe sei gewesen, Fluchtversuche zu unterbinden. Es sei jedoch in seinem Dienst nie vorgekommen, dass sich ein Häftling entfernt habe. Die Häftlinge hätten gewusst, dass das Risiko viel zu hoch war. An der Rampe, an der die Gefangenen zur Arbeit oder zum Tod in der Gaskammer selektiert wurden, sei er nie eingesetzt worden. "Uns war aber schon bekannt, dass ein Großteil der Leute, die mit den Zügen ankamen, getötet wurde."

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: