Feuertod von Oury Jalloh:Angeklagter Polizist bricht sein Schweigen

Der Asylbewerber Oury Jalloh starb 2005, weil es in seiner Gefängniszelle brannte und Hilfe zu spät kam. Ein erster Prozess verkam zur Farce - jetzt hat sich der angeklagte Polizist erstmals geäußert.

Der Feuertod des Asylbewerbers Oury Jalloh im Januar 2005 war ein Skandal, der darauffolgende Prozess auch. Im Dezember 2008 erklärte der Vorsitzende Richter das Verfahren für gescheitert, weil viele Zeugen "bedenkenlos und grottendämlich" falsch und unvollständig ausgesagt hätten.

Gedenken an Oury Jalloh

Gedenken an Oury Jalloh: Der Asylbewerber kam ums Leben, weil es in seiner Gefängniszelle brannte.

(Foto: ddp)

Seit vergangener Woche wird der Fall vor dem Magdeburger Landgericht neu aufgerollt - und erstmals hat der angeklagte Polizist sein Schweigen gebrochen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm fahrlässige Tötung durch Unterlassen vor. Anhänger Jallohs sprechen hingegen von Mord aus fremdenfeindlichen Motiven.

In einer persönlichen Erklärung schilderte der 50-Jährige den tragischen Verlauf des Unglücks aus seiner Sicht. Er trug damals als Dienstgruppenleiter die Verantwortung für die Abläufe im Dessauer Polizeirevier. Der Mann sagte, dass ihm der Vorfall leid tue, fremdenfeindliche oder rassistische Motive wies er ausdrücklich zurück.

Der Angeklagte gab an, zunächst über die Sprechanlage "Rufe und rasselnde Geräusche" aus Jallohs Zelle gehört zu haben. Weil er ein Telefonat führte, habe er die Lautstärke herunter gedreht. Eine Kollegin habe die Anlage aber wieder aufgedreht. Kurz darauf sei der Feuermelder angesprungen. Dann habe er das Signal abgedreht und die Schlüssel geholt. Wenige Augenblicke später sei die Anlage erneut angesprungen. Ob er den Ton erneut ausgedreht habe, wisse er nicht mehr, sagte der Mann vor Gericht.

Als er die Tür der Gewahrsamszelle geöffnet habe, sei ihm dichter Rauch entgegen gekommen. Daraufhin habe er einen Feuerlöscher von einem Kollegen aus einem Streifenwagen geholt. Wegen des Rauches habe er jedoch das Feuer nicht löschen können und die Feuerwehr gerufen. "Erst später ist mir bewusst geworden, dass Jalloh bei dem Unglück gestorben ist." Dass es in der Zelle zu einem Brand gekommen war, habe er bis zum Öffnen der Zellentür nicht gewusst. "Unterschwellig habe ich an eine Fehlfunktion des Rauchmelders gedacht."

Der Asylbewerber aus Sierra Leone war am 7. Januar 2005 bei einem Brand in der Zelle an den Folgen eines Hitzeschocks gestorben. Er war zuvor in Gewahrsam genommen worden, weil er betrunken mehrere Frauen belästigt haben soll. Jalloh soll die Matratze, auf der er an Händen und Füßen gefesselt war, selbst mit einem Feuerzeug angezündet haben. Der Polizist soll nicht schnell genug auf das Signal eines Feuermelders in Jallohs Zelle reagiert haben.

Wie Jalloh das Feuerzeug in die Zelle mitnehmen konnte, obwohl er zuvor durchsucht worden war, ist genauso unklar wie die Frage, wie es der gefesselte Mann geschafft haben soll, den feuerfesten Bezug seiner Matratze durchzuschmoren und diese in Brand zu setzen. Kritiker sehen darin Indizien dafür, dass der Asylbewerber Opfer eines Mordes wurde. Dafür gibt es jedoch keinerlei Beweise.

Das Landgericht Dessau-Roßlau hatte den Angeklagten am 8. Dezember 2008 freigesprochen. Gegen dieses Urteil hatten Staatsanwaltschaft und Nebenklage Revision eingelegt. Im Januar 2010 hob der Bundesgerichtshof in Karlsruhe den Freispruch für den Dienstgruppenleiter auf. Es sah Lücken in der Beweiswürdigung.

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