Prozess um Auftragsmord an Exilkroaten:Attacke auf den wichtigsten Zeugen

Zwei kroatische Ex-Geheimdienstchefs sollen vor 30 Jahren den Mord an einem Exilkroaten in Auftrag gegeben haben. Bereits am ersten Prozesstag könnte es ihren Verteidigern gelungen sein, den wichtigsten Zeugen der Anklage zu demontieren.

Aus dem Gericht von Katja Riedel

Der Zeuge sei windig, halbseiden, ein Krimineller, der mit mehreren Morden in Verbindung gebracht werde. Es brauchte keine hellseherischen Fähigkeiten, um aus dem, was die Verteidigerriege um den Strafrechtler Richard Beyer vor dem Prozess um den Mord an dem Exilkroaten Stjepan Đureković verlauten ließ, die Verteidigungslinie zu erschließen: den Hauptbelastungszeugen zu zerlegen im Kroatenmordprozess, der am Freitag vor dem Oberlandesgericht München begonnen hat.

Die Aussagen jenes Zeugen hatten dazu geführt, dass sich die beiden ehemaligen kroatischen Geheimdienstchefs Josip Perković und Zdravko Mustač überhaupt verantworten müssen, wegen Beihilfe zum Mord an Đureković im Juli 1983 in Wolfratshausen.

Es geht um eine ganze Mordserie

Verhandelt wird nicht nur dessen gewaltsamer Tod, sondern viel mehr: die längste ungeklärte Mordserie auf deutschem Boden, bei der in den Sechziger- bis Achtzigerjahren etwa 30 Exilkroaten getötet wurden - mutmaßlich mit Wissen und Hilfe damaliger jugoslawischer Staatsmänner und Geheimdienste.

Perković und Mustač sind die ersten Drahtzieher, die in der Mordserie vor Gericht stehen, obwohl Jahrzehnte vergangen sind. Bis heute haben sie mächtige Unterstützer. Perkovićs Sohn berät den derzeitigen kroatischen Präsidenten in Sicherheitsfragen. Erst nach dem Beitritt Kroatiens zur EU waren die beiden Angeklagten nach Deutschland ausgeliefert worden, nach massivem politischen Druck.

Den wichtigsten Zeugen zu demontieren könnte ihren Verteidigern bereits am ersten Prozesstag gelungen sein: Denn der Mann, der unter dem Decknamen "Mišo" für den kroatischen Geheimdienst arbeitete, soll vom Bundesnachrichtendienst (BND), dem deutschen Auslandsgeheimdienst, beeinflusst worden sein. Ihm liege ein Papier des kroatischen Geheimdienstes vor, trug Verteidiger Beyer dem Gericht vor. Aus diesem gehe hervor, dass der BND "einem wichtigen Zeugen geldwerte Vorteile in Aussicht gestellt" habe, wenn er aussage. Das Dokument sei von diesem Zeugen unterschrieben. Nach SZ-Informationen handelt es bei diesem Zeugen ausgerechnet um "Mišo".

"Mišo" erzählte den deutschen Ermittlern 2008 die Geschichte, die sich hinter dem Mord in einer Wolfratshauser Garage, die als Druckerei genutzt wurde, verbergen soll. Das spätere Opfer Đureković soll als Marketingmanager der Erdölfirma INA in schmutzige Geldgeschäfte verwickelt gewesen sein, ebenso der Sohn eines damaligen Politikers von höchstem Range. Der Politiker habe sich des Zeugen Đureković entledigen wollen und ein Komplott geschmiedet, um diesen erst ins Ausland zu treiben und ihn dann dort ermorden zu lassen.

Drei Mörder in der Garage

Im Frühjahr 1983 habe Geheimdienstchef Mustač seinem Abteilungsleiter für "feindliche Emigration", Percović, den Mordauftrag erteilt. Letzterer habe die Fäden gezogen und seinen in Deutschland lebenden Agenten Krunoslav P. mit der Organisation betraut. P. wurde 2008 wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, ebenfalls in München.

P. verschaffte den drei Mördern Zugang zur Garage und lockte das Opfer an den Ort, an dem ihn die Mörder schon erwarteten. Auch deren Namen hat der Zeuge "Mišo" den deutschen Behörden geliefert. Zwei von ihnen sind tot, der eine wurde erschossen, der andere kam unter mysteriösen Umständen ums Lebens. Und der dritte lebt unbehelligt in Schweden. "Mišo" hatte ihn 2008 entführt, in ein Auto gepackt und an einer bayerischen Autobahnraststätte der Polizei übergeben. In Schweden ist der Mord verjährt, "Mišo" bekam in Deutschland eine Bewährungsstrafe.

Dessen Aussagen hält die Bundesanwaltschaft dennoch für "authentisch und werthaltig", heißt es in Ermittlerkreisen. So werthaltig, dass darauf die Anklage gegen die beiden Ex-Geheimdienstchefs fußt. Beide haben in früheren Aussagen bestritten, mit diesem oder anderen Morden in Verbindung zu stehen. Vor Gericht werden sie schweigen.

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