Spionage-ProzessMutmaßliche russische Agenten bestreiten alle Vorwürfe

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Beamte führen einen der Angeklagten zu Beginn des Verfahrens in den Gerichtssaal.
Beamte führen einen der Angeklagten zu Beginn des Verfahrens in den Gerichtssaal. (Foto: Peter Kneffel/DPA)

Sabotage, Anschläge, Spionage? Die Angeklagten erklären sich zum Prozessauftakt in München für völlig harmlos. Einer von ihnen behauptet, er habe den Behörden Scheininformationen übermitteln wollen.

Von Max Weinhold

Am Oberlandesgericht München hat am Dienstag der Prozess gegen drei Männer wegen mutmaßlicher Spionage im Dienste Russlands begonnen. Die Bundesanwaltschaft wirft den deutsch-russischen Staatsangehörigen unter anderem geheimdienstliche Agententätigkeit vor. Sie sollen im Auftrag des russischen Militärgeheimdienstes GRU beispielsweise Militärtransporte zu einer Nato-Übung in Bayern ausgespäht und Informationen über einen Werkzeughersteller gesammelt haben, der nahe Bayreuth sogenannte Geschosskerne produziert.

Ihr Ziel soll es gewesen sein, Sabotageaktionen vorzubereiten und die deutsche Unterstützung der Ukraine im Krieg gegen Russland zu untergraben.

Er habe nur „einen auf Spion gemacht“, sagt Dieter S.

Der Hauptangeklagte, Dieter S., habe zudem Bahnstrecken ausgekundschaftet und sich gegenüber einem Kontaktmann beim GRU bereit erklärt, Strecken zu sabotieren, um einen Zug entgleisen zu lassen, heißt es. Mit ihm soll S. auch Pläne geschmiedet haben, Sprengstoff- und Brandanschläge auf Gebäude und Infrastruktur in Deutschland zu verüben, die von der Ukraine genutzt werden. S. werfen die Ankläger deshalb die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor.

Der 41-Jährige muss sich zudem wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung verantworten. Von Dezember 2014 bis August 2016 soll er aufseiten prorussischer Separatisten für die Loslösung des Verwaltungsbezirks Donezk von der Ukraine gekämpft haben. Michael Löwe, einer seiner beiden Verteidiger, bestätigte vor dem Staatsschutzsenat des Gerichtes zwar, dass S. zu der Zeit in der Ostukraine war, allerdings „rein aus privaten Gründen“. Er habe sich keiner Separatisten-Miliz angeschlossen, sondern dort eine Beziehung mit einer Frau geführt und normal gearbeitet. „Er war nicht in irgendwelche Auseinandersetzungen verwickelt.“

Auch den Spionagevorwurf bestritt der Anwalt im Namen seines Mandanten: „Er ist kein Spion, er ist kein Saboteur.“ Nachdem S. auf Facebook Posts mit Bezug zum Krieg zwischen Russland und der Ukraine abgesetzt habe, sei ihm stattdessen aufgefallen, dass er observiert worden sei – von deutschen Ermittlern, wie er vermutete.

Aus dieser Situation habe er „Profit schlagen“ wollen: S. habe als Messebauer unter der Corona-Pandemie gelitten, eine hohe Steuernachzahlung leisten müssen und sei in finanzielle Not geraten. In der Hoffnung auf eine Entlohnung habe er „einen auf Spion gemacht“ und versucht, sich so den deutschen Sicherheitsbehörden als V-Mann anzudienen. Sein Plan sei gewesen, „Scheininformationen“ zu präsentieren.

Nur „normale Unterhaltungen“ oder Informationsbeschaffung für Russland?

Auch der Mitangeklagte Alexander J., 38, bestritt die Spionagevorwürfe. Für ihn sehe es so aus, als würde „aus einem normalen Unterhaltungsgespräch ein Verbrechen gemacht“, sagte er. Er habe nicht gewusst, was S. mit den Informationen aus gemeinsamen Gesprächen würde anstellen können.

Der dritte Angeklagte Alex D., 44, ein Grafikdesigner aus Bayreuth, ließ über seinen Verteidiger „ausdrücklich“ bestreiten, für einen ausländischen Nachrichtendienst tätig gewesen zu sein. Er sei häufig mit Dieter S. zur Arbeit gefahren und habe bemerkt, wie aufgeregt dieser gewesen sei, wenn er Militärtransporte gesehen habe. Nur deshalb hätten sie sich über derartige Themen unterhalten.

Die Ankläger dagegen sind davon überzeugt, dass J. und D. für S. Informationen beschafften, der wiederum Kontakt zu zwei Auftraggebern beim GRU gepflegt und diesen die Erkenntnisse weitergeleitet haben soll. Einen von ihnen soll S. bei seinem Einsatz in der Ostukraine kennengelernt haben. Beide sollen in der Brigade Pjatnaschka für die „Volksrepublik Donezk“ gekämpft haben. Dabei handele es sich um „eine von Russland geschaffene terroristische Vereinigung“, die das Ziel habe, „die Herrschaft über Gebiete im Osten der Ukraine zu erlangen“, heißt es in der Anklage.

Dieter S. drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis, Alexander J. und Alex D. fünf Jahre

Für den Prozess sind bis Weihnachten 44 Verhandlungstage angesetzt. Dieter S. drohen bis zu zehn Jahre Gefängnis, Alexander J. ebenso wie Alex D. fünf. Für die Männer aus Oberfranken gilt die Unschuldsvermutung.

Ihre Verhaftungen hatten vergangenes Jahr diplomatische Verwerfungen ausgelöst. Deutschland bestellte den russischen Botschafter Sergej Netschajew ins Auswärtige Amt ein, die damalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sprach von einem „besonders schweren Fall der mutmaßlichen Agententätigkeit für Putins Verbrecher-Regime“.

Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine häufen sich mutmaßlich russische Sabotage und Spionage in Europa. Erst Anfang Mai verhafteten deutsche und Schweizer Behörden drei Ukrainer, die im Auftrag Russlands Brand- und Sprengstoffanschläge auf den Gütertransport geplant haben sollen. Den nun vor Gericht verhandelten Fall halten Experten für ein Beispiel der neuen russischen Vorgehensweise, anstelle von Profi-Spionen sogenannte Wegwerfagenten anzuwerben.

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Spionage
:Kalter Krieg in Oberfranken

„Typisch deutsch“ sei Dieter S. gewesen, sagt der Hausmeister. „Da war nichts“, sagt die Schwester über Alexander J. Die Sicherheitsbehörden aber glauben, dass sie für Putin spioniert, womöglich sogar Anschläge geplant haben. Eine Spurensuche.

SZ PlusVon Sebastian Erb, Lena Kampf, Christoph Koopmann, Jörg Schmitt, Max Weinhold und Ralf Wiegand

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