Prozess nach Auftragsmord an Exilkroaten:"Wir haben 30 Jahre lang auf diesen Tag gewartet"

Lesezeit: 2 min

Der ehemalige kroatische Geheimdienstchef Zdravko Mustac am ersten Prozesstag vor dem Münchner Oberlandesgericht. (Foto: AFP)

Im Juli 1983 erschossen Auftragskiller den Exilkroaten Stjepan Durekovic in Bayern. Nun stehen die mutmaßlichen Hintermänner vor Gericht - ehemals hochrangige Mitarbeiter des kroatischen Geheimdienstes. Ein bedeutender Tag für die Landsleute im Saal.

Aus dem Gericht von Katja Riedel

Stjepan Durekovic war in Gefahr, das wusste er selbst, das wusste die Polizei und das wusste sogar der Bundesnachrichtendienst, für den der einstige Erdölmanager aus Zagreb früher einmal arbeitete. Doch als der Exilkroate am Vormittag des 28. Juli 1983 die Tür der kleinen Druckwerkstatt in Wolfratshausen bei München aufschloss, um dort ein Manuskript zu platzieren, fühlte er sich sicher, an einem vertrauten Ort. Er knipste nicht einmal das Licht an. Die Schüsse trafen ihn unvorbereitet: in die rechte Hand, in beide Arme, in die Lende, in Rücken, Kopf und Lunge. Am Ende zertrümmerten die drei Auftragskiller Stjepan Durekovic noch den Schädel.

Angeklagte treten auf wie beim Staatsbesuch

Die beiden älteren Herren auf der Anklagebank in Saal 101 des Münchner Justizzentrums haben nicht selbst Hand angelegt. Und doch sind sie hier, 31 Jahre nach dem Tag, an dem Durekovic starb. Zdravko Mustac, 74, ehemaliger Leiter des kroatischen Geheimdienstes SDS, und mit ihm angeklagt ist Josip Perkovic, damals Abteilungsleiter beim SDS, zuständig für die "feindliche Emigration". Beide sind gekommen wie zu einem Staatsbesuch, tragen dunkle Anzüge, lächeln und schütteln ihren insgesamt sechs Verteidigern die Hände. Beide verweigern zum Prozessauftakt Angaben zur Sache.

Mustac soll nach Überzeugung der Generalbundesanwaltschaft den Auftrag erteilt haben, Durekovic zu liquidieren, Perkovic soll als Drahtzieher des Mordkomplotts agiert haben. Die Anklage lautet auf Beihilfe zum Mord. Es ist der Auftakt zu einem Prozess, für den ein ganzes Jahr angesetzt ist. Ein Fall, der zwischen Kroatien und Deutschland schon für viele Verstimmungen gesorgt hat. Denn die beiden Geheimdienstmänner haben mächtige Beschützer, der Sohn Perkovics berät den amtierenden kroatischen Präsidenten in Sicherheitsfragen.

Auf der Zuschauertribüne sitzen etwa hundert Exilkroaten. Darunter solche, die sich selbst verfolgt fühlten, und andere, von denen sie sagen, dass sie zur anderen Seite gehörten. "Wir haben 30 Jahre lang auf diesen Tag gewartet", sagt der Anwalt der Witwe Durekovic. Schon dass der Prozess überhaupt stattfinde, sei ein großer Erfolg. So sehen es auch Vertreter von Opferverbänden, die vor Prozessbeginn eine Mahnwache vor dem Justizzentrum in München abgehalten haben.

13 Ermittlungsverfahren wegen Mordes und Mordversuchs werden in Deutschland bis heute geführt, es haben auch schon Handlanger vor deutschen Richtern gesessen. Aber zum ersten Mal will die Bundesanwaltschaft nun die eigentlich Verantwortlichen belangen.

Zeuge "Miso" entscheidend für die Anklage - und doch ein Problem

Möglich wurde das, nachdem einer ausgepackt hat, der mit schillernd noch unzureichend beschrieben ist. Ein ehemaliger Agent mit dem Decknamen "Miso", der den Ermittlern die Namen der Täter und Hintermänner nannte. Zu diesen gehört auch ein hochrangiger Politiker Jugoslawiens, ein damalige Premierminister. Dessen Sohn hatte wie Durekovic für das Erdölunternehmen INA gearbeitet, beide standen im Verdacht, an schmutzigen Geldgeschäften beteiligt zu sein. Der Politiker habe sich des Zeugen Durekovic entledigen wollen und ein Komplott geschmiedet, um Durekovic erst ins Ausland zu treiben, aus Angst vor Strafverfolgung, und ihn dann dort ermorden zu lassen.

Der Zeuge Miso wird im weiteren Verlauf des Prozesses eine entscheidende Rolle spielen. Dabei ist Miso für die Anklage nicht nur ein entscheidender Baustein der Anklage, sondern auch ein Problem: Er wird mit mehreren Morden in Verbindung gebracht. Zuletzt verurteilte ihn ein deutsches Gericht zu zwei Jahren Haft, weil er in Schweden einen der mutmaßlichen Mörder Durekovics entführen ließ und ihn in an deutsche Ermittler auslieferte. Der Mann musste nach Schweden zurück überstellt werden - weil der Mord dort längst verjährt ist.

Man muss kein Hellseher sein, um vorauszusagen, dass sich die Verteidigung bemühen wird, diesen Zeugen als halbseiden, als wenig zuverlässig darzustellen und dessen Aussagen zu zerlegen.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: