Prozess:"Maximale Effektivität"

Weil ihre Angehörigen durch US-Drohnen getötet wurden, ziehen drei Jemeniten gegen Deutschland vor Gericht. Der Grund: Der Angriff erfolgte über den US-Militärstandort in Ramstein.

Von Christian Wernicke, Münster

Endet der US-Drohnenkrieg ausgerechnet in einem Gerichtssaal in Münster? Das zumindest wollten am Donnerstag Anwälte erreichen, die Hinterbliebene von Opfern des amerikanischen Anti-Terror-Kriegs vertreten. Ihr Ansatzpunkt beim Versuch, die unbemannten Flugkörper mit Hilfe des Grundgesetzes vom Himmel zu holen, ist die US-Basis im pfälzischen Ramstein: Von dort werden die Drohnen zwar nicht gelenkt - aber ohne Ramsteins hochkarätige Satelliten-Relais-Station wären die Piloten in den USA nicht in der Lage, ihre Präzisionswaffen über Arabien und Ostafrika in Echtzeit abzufeuern.

In gleich zwei Verfahren grübelt das Oberverwaltungsgericht über Krieg und Frieden. Der Vorsitzende Richter Wolf Sarnighausen inszeniert das Verfahren als hochkarätiges Juristenseminar. Zeugen treten nicht auf, das Gericht stützt sich vor allem auf deutsche und amerikanische Dokumente zum Drohnenkrieg. Die liegen, in sieben Aktenordnern sortiert, auf dem Richtertisch. Sarnighausen liest vor, etwa aus einem Haushaltspapier des US-Kongresses aus dem Jahr 2010, das die High-Tech-Datenbrücke in Ramstein als notwendiges Mittel preist, "um die maximale Effektivität . . . beim Einsatz von Kampfflugzeugen sicherzustellen." Ulf Häußler, der Prozessbevollmächtigte des Verteidigungsministeriums, war bemüht, die Bedeutung von Ramstein eher herunterzuspielen. Das Relais in der Pfalz sei "nur eine Schnittstelle" in einem globalen Datenübertragungs-Netzwerk. Nur, die US-Experten schrieben 2010 damals weiter: Ohne Ramstein würden sich "die operationellen Möglichkeiten signifikant verringern." Was bedeutet: Würde das deutsche Gericht das US-Relais nun als Verstoß gegen das Grundgesetz werten und stilllegen, wäre die US-Fernsteuerung der Drohnen beeinträchtigt.

Menschenrechtsorganisationen behaupten genau dies: Das Datenrelais auf deutschem Boden verstoße gegen die im Grundgesetz postulierte Pflicht zum Schutz des Lebens (Artikel 2). Die NGO "European Center for Constitutional and Human Rights" spricht sogar von "Mord", den die Bundesregierung nicht dulden dürfe. Die Kritiker verweisen darauf, dass US-Präsident Donald Trump den Drohnenkrieg deutlich ausgeweitet habe und zugleich Vorsichtsregeln außer Kraft gesetzt habe, die noch unter Obama gegolten hätten. Ein Fall aus Jemen beschäftigte das Gericht am Donnerstag: Da prüfte der 4. Senat die Klage von drei (nicht anwesenden) Angehörigen, die bei einem Luftschlag am 29. August 2012 gegen mutmaßliche Al-Qaida-Kämpfer zwei Verwandte verloren hatten. Beide sollen nach Aussage der Kläger nie etwas mit dem Terrornetzwerk zu schaffen gehabt haben. Bereits am Mittwoch hatte derselbe Senat die Klage eines Mannes aus Somalia gehört, dessen Vater im Februar 2012 einem Drohneneinsatz auf die Terrorgruppe al-Shabaab zum Opfer fiel. Der Kamelhirte sei ebenfalls ein unschuldiger Zivilist gewesen.

Ein Urteil fällt frühestens nächste Woche. In erster Instanz waren beide Klagen gescheitert: Die Gerichte hatten den traditionell großen Entscheidungsspielraum der Bundesregierung nicht beschränken wollen.

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