Prozess gegen KSK-Soldaten:Ein Munitionsdieb, aber nicht rechtsextrem

Prozess gegen Elitesoldaten des KSK: Plädoyers und Urteil möglich

Der ehemalige Bundeswehrsoldat des Kommandos Spezialkräfte im Saal des Landgerichts in Leipzig.

(Foto: Sebastian Willnow/dpa)

Im Prozess gegen den Stabsfeldwebel Philipp S. urteilt das Gericht, der habe zwar Munition und Sprengstoff aus Beständen der Bundeswehr entwendet. Eine gefestigte rechtsextreme Haltung aber habe er nicht.

Von Joachim Käppner, Leipzig

Welch tiefer Sturz. Noch 2018 hatten die Kommandeure des Kommandos Spezialkräfte (KSK) nur das Beste über den Stabsfeldwebel Philipp S. zu sagen. Ein "Vorzeigekommandosoldat" sei S., ein "wesentlicher Leistungsträger", ein Mann mit ausgeprägter sozialer Kompetenz, dazu Heeresbergführer, Fallschirmspringer, Rettungsschwimmer. Dann, nur zwei Jahre später, im Sommer 2020, saß S. im Gefängnis, seine Zelle wurde rund um die Uhr per Video überwacht, bei den kleinsten Wegen war er gefesselt und wurde von drei Justizbeamten begleitet.

Die Justiz befürchtete, S. könne wegen seiner Ausbildung zum Elitekämpfer aus dem Gefängnis fliehen und untertauchen. S. war zum öffentlichen Symbol dafür geworden, was alles schieflief im von Rechtsradikalismus-Skandalen erschütterten KSK. Am Freitag verurteilte ihn das Landgericht Leipzig zu einer überraschend milden Strafe von zwei Jahren Haft auf Bewährung.

Es sprach S. schuldig, unter anderem 5000 Schuss scharfe Munition und zwei Kilo Sprengstoff aus Bundeswehrbeständen entwendet und in seinem Garten vergraben zu haben. S. hatte dies gestanden. Seine Verteidigung hatte zehn Monate auf Bewährung gefordert, was theoretisch einen Verbleib des 46-Jährigen in der Bundeswehr hätte bedeuten können, der jetzt nicht mehr möglich ist.

Wegen der rechtsextremen Skandale im KSK galt das Verfahren auch deshalb als Politikum, weil man sich Aufschluss über mögliche neonazistische Netzwerke im KSK erhoffte: Hatte S. Helfer, war er gar Teil einer Zelle von höchst ausgebildeten Soldaten, die Terroranschläge planten? Für diese Annahmen aber ergab der Prozess keine Anhaltspunkte, wie neben dem Vorsitzenden Richter im Urteil auch der Staatsanwalt in seinem Plädoyer sagte.

Der Angeklagte gab Munition an Soldaten aus

Im Mai 2020 hatte die Kripo vor S.' Haustür im sächsischen Colm gestanden. Bei einer gründlichen Durchsuchung fanden die Beamten unter anderem zwei Kilo professionellen Sprengstoff sowie rechtsextreme Schriften. In seinem Garten hatte S. außerdem Tausende Gewehr- und Pistolenpatronen, ein Kalaschnikow-Sturmgewehr AK47, eine Armbrust, eine Nebelhandgranate und andere Waffen und Waffenteile vergraben. Der Angeklagte war in der berüchtigten 2. Kompanie des KSK jahrelang für die Planung und Durchführung von Schießübungen und somit auch für die Munitionsübergabe an die Soldaten verantwortlich.

S. erklärte die Funde so: Er habe die Munition für den dienstlichen Gebrauch gehortet, um bestehende Engpässe bei der Schießausbildung zu überbrücken. Obwohl das Gericht Zweifel an dieser Darstellung hatte, sagte der Richter abschließend, es gebe "keinerlei Hinweise darauf", dass S. "etwas anderes damit vorhatte". Der Richter bescheinigte S. eine rechtsnationale Geisteshaltung, die im KSK offenbar verbreitet sei, wo man sich in einer "bestimmten Kaste" bewege. Das Gericht erkannte aber keine gefestigte rechtsextreme Haltung. Die Ausführungen des Angeklagten zu seinen Motiven seien "irrational und in allen Punkten seltsam" gewesen.

Die inzwischen von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) aufgelöste 2. Kommando-Kompanie hatte 2017 bei einer Abschiedsfeier für ihren Chef mit Schweineköpfen geworfen. Dabei soll auch Rechtsrock gehört und der Hitlergruß gezeigt worden sein. S. war dabei und wurde deshalb vom Militärgeheimdienst MAD beobachtet, dem S.' damalige Frau schließlich von dem Waffenlager berichtete.

Der Staatsanwalt spricht von verletzter Treue

Der Fall ist auch politisch brisant, nachdem bekannt geworden war, dass die Elitesoldaten von März bis Mai vergangenen Jahres gehortete oder womöglich auch gestohlene Munition abgeben konnten, ohne dass Konsequenzen drohten. Laut Verteidigung erschien es S. aber zu riskant, sein Material in die Kaserne zurückzubringen und abzugeben, "das war sein Fehler", so sein Rechtsanwalt Andrej Klein: "Hätte er es getan, wäre er auch heute noch ein hoch angesehener Kommandosoldat." Dagegen sagte Staatsanwalt Ron Franke in seinem Plädoyer: Als Übungsplaner beim KSK habe S. ein besonderes Treue-Verhältnis zur Bundesrepublik, der Bevölkerung und der Bundeswehr gehabt und "auf gravierende Weise verletzt."

Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer prüft wegen der Unregelmäßigkeiten des KSK im Umgang mit Munition beim Kommando Spezialkräfte (KSK) ein gerichtliches Disziplinarverfahren gegen den Kommandeur. Dieser hatte die straffreie Sammelaktion für Munition am 1. April 2020 eigenständig durch mündlichen Befehl angeordnet. Nach Angaben eines KSK-Offiziers wurden dabei mehr als 50 000 Munitionsartikel abgegeben, überwiegend nicht scharfe Übungsmunition.

In einem bemerkenswerten Exkurs nahm der Richter den KSK-Kommandeur in Schutz: "Was hätte er denn erreicht, wenn er die Rückgabe der Munition mit einer Strafandrohung verbunden hätte? Nichts hätte er erreicht, weil kaum jemand etwas abgegeben hätte."

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