Prozess in Ägypten eingestellt:Mubarak könnte bald freikommen

Prozess in Ägypten eingestellt: Ägyptens ehemaliger Staatschef Hosni Mubarak grüßt, auf einer Trage liegend, seine Unterstützer.

Ägyptens ehemaliger Staatschef Hosni Mubarak grüßt, auf einer Trage liegend, seine Unterstützer.

(Foto: AP)
  • Ein Revisionsverfahren gegen Ägyptens ehemaligen Machthaber Hosni Mubarak ist eingestellt worden.
  • Die Staatsanwaltschaft hatte Mubarak beschuldigt, am Tod von fast 900 Demonstranten während der Revolution 2011 schuld gewesen zu sein.
  • Mehrere Gefolgsmänner, darunter zwei Söhne Mubaraks, wurden freigesprochen.

Von Paul-Anton Krüger, Kairo

Der gestürzte ägyptische Machthaber Hosni Mubarak wird vorerst nicht wegen des Todes von fast 900 Demonstranten während der Revolution 2011 belangt. Das Strafgericht in Kairo stellte in einem Revisionsprozess das Verfahren wegen Mordes gegen ihn ein, das sich allerdings nur auf die Fälle von 239 Getöteten bezogen hatte. Das Urteil vom Samstag ist aber noch nicht rechtskräftig.

Auch sein damaliger Innenminister Habib al-Adli sowie sechs führende Sicherheitsoffiziere wurden von der Anklage entlastet. Die Staatsanwaltschaft hatte Mubarak und seine Helfer für das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen die Protestierenden im Frühjahr 2011 verantwortlich gemacht. Sie hatte für den Ex-Präsidenten die Todesstrafe gefordert. Der Generalstaatsanwalt kündigte bereits an, die Entscheidung vor dem Kassationsgerichtshof anzufechten.

Mubarak hatte in dem Prozess jede Mitschuld an dem Tod der Demonstranten zurückgewiesen. Er war im Juni 2012 in einem ersten Prozess ebenso wie al-Adli zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Urteil wurde aber wegen Verfahrensmängeln aufgehoben. Mubarak verbüßt derzeit eine dreijährige Haft wegen der Unterschlagung öffentlicher Gelder, könnte nach dem neuen Urteil aber womöglich bald freikommen. Der 86-Jährige sitzt seine Strafe im Hausarrest in einem Militärkrankenhaus in der Nähe von Kairo ab.

"Wo bleibt die Gerechtigkeit?"

Angehörige der Opfer hatten ein solches Urteil bereits befürchtet. Amal Schaker, Mutter von Achmed, der im Alter von 15 Jahren während der Proteste erschossen worden war, sagte der Nachrichtenagentur Associated Press vor der Urteilsverkündung: "Jugendliche, die wie Blumen waren, wurden getötet. Vier Jahre sind vergangen. Wo bleibt die Gerechtigkeit?"

Machmud Ibrahim Ali, dessen Frau während der Proteste getötet worden war, sagte, er habe kein Vertrauen in die Justiz, die richte sich nach den Wünschen der Regierung. "Das Regime ist das Gleiche, die Namen haben sich geändert, aber sonst ist alles das Gleiche", zitierte ihn die Agentur.

Mubarak hatte 1981 nach einer langen Militärkarriere das Amt des Staats- und Regierungschefs übernommen, nachdem Anwar al-Sadat ermordet worden war. Der jetzige Präsident Abdel Fattah al-Sisi stammt wie er aus dem Militär, er war Chef des Militärgeheimdienstes und Verteidigungsminister, bevor er sich im Juni zum Staatschef wählen ließ.

Während die Justiz gegenüber den Verantwortlichen des alten Regimes Milde walten lässt, werden Islamisten aus den Reihen der inzwischen als Terrorvereinigung verbotenen Muslimbruderschaft im Zusammenhang mit gewaltsamen Ausschreitungen zu Hunderten zum Tode oder zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Am Mittwoch hatte eine von der Regierung eingesetzte Untersuchungskommission ihnen die Schuld für die Hunderten von Toten bei der Räumung zweier Protestcamps der Bruderschaft im August 2013 zugesprochen.

Jubel im Gerichtssaal

Von allen anderen Anklagepunkten wurde Mubarak freigesprochen, darunter der Vorwurd der Korruption im Zusammenhang Verkauf von Erdgas an Israel zu verbilligten Preisen in Zusammenarbeit mit dem Geschäftsmann Hussein Salem. Ebenso freigesprochen wurden Mubaraks Söhne Galaa und Amal, die aber ebenfalls noch dreijährige Haftstrafen wegen Korruption verbüßen; al-Adli war in einem anderen Verfahren wegen Geldwäsche zu sieben Jahren verurteilt worden.

Dennoch ist es unwahrscheinlich, dass es wegen des Urteils in Ägypten zu neuen Massenprotesten kommt. Mubarak steht nicht mehr im Fokus des öffentlichen Interesses, zudem hat die Regierung ein umstrittenes Protestgesetz in Kraft gesetzt, das jede Demonstration von einer vorherigen Genehmigung abhängig macht. Verstöße dagegen werden mit mehrjährigen Haftstrafen geahndet. Der De-facto-Freispruch für den früheren Machthaber dürfte allerdings den Frust und die Verbitterung bei jenen weiter befeuern, die sich um die Erfolge der Revolution gebracht sehen. Auch dürfte es der Radikalisierung vor allem im Lager der mit harter Hand unterdrückten Islamisten weiteren Vorschub leisten.

Daran wird auch die Aussage des Vorsitzenden Richters Mahmoud al-Raschidi nichts ändern, der deutlich machte, dass die Einstellung des Verfahrens Mubarak nicht von Vorwürfen der Korruption oder der Schwäche in den letzten seiner 29 Regierungsjahre entlaste. Zudem seien die Forderungen der Revolution von 2011 nach Freiheit, Brot und sozialer Gerechtigkeit richtig und gerechtfertigt gewesen.

Mubarak war nach drei Jahrzehnten an der Macht im Februar 2011 nach einer wochenlangen Revolte gestürzt worden. Seinen Nachfolger, den aus der Muslimbruderschaft hervorgegangenen Mohammed Mursi, Ägyptens ersten demokratisch gewählten Staatschef, hatte das Militär im Juli 2013 gestürzt.

Nach dem Urteil brach im Gerichtssaal Jubel aus, vor dem Gebäude hatten zuvor schon Anhänger des früheren Machthabers Porträts von ihm in die Luft gehalten. Mubarak war am Morgen mit einem Hubschrauber von einem Militärkrankenhaus in der Hauptstadt zu dem Verhandlungssaal in der Polizeiakademie geflogen worden. Er verfolgte die Urteilsverkündung im vergitterten Bereich für die Angeklagten, seine Augen waren wie stets hinter einer dunklen Sonnenbrille verborgen.

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