Prozess:Hilfe für Rechtsradikale

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Gegen insgesamt 38 Polizisten in Hessen laufen derzeit straf- und dienstrechtliche Verfahren wegen rechtsextremistischer Vorkommnisse, sagte Innenminister Peter Beuth am Donnerstag. (Foto: Boris Roessler/dpa)

Ein Polizist aus Hessen ist zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Er hatte Dienstgeheimnisse an eine Bekannte verraten. Nun droht ihm ein Disziplinarverfahren.

Von Susanne Höll, Dieburg

Ein 46 Jahre alter Polizist ist wegen Verrats interner Dienstgeheimnisse an eine offenkundig rechtsradikale Bekannte zu einer Geldstrafe von 6750 Euro verurteilt worden. Das Amtsgericht im südhessischen Dieburg befand den geständigen Beamten für schuldig, der Mitangeklagten Martina H. auf deren Drängen hin Anfang 2016 zweimal Informationen aus dem Polizeidatennetz weitergegeben zu haben.

In einem Fall handelte es sich um Erkenntnisse über den Lebensgefährten der Frau, Carsten M., einem als gewalttätig geltenden Rechtsradikalen, der unlängst in Halle wegen gefährlicher Körperverletzung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt worden war. Martina H. hatte wegen Beihilfe eine Bewährungsstrafe bekommen. Die beiden sollen der Neonazi-Kameradschaft "Aryans" angehören, gegen die die Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Gegen das Urteil von Halle haben beide Revision eingelegt.

Der Geheimnisverrat des Polizisten war bei den Ermittlungen in Halle entdeckt worden, durch Chat-Protokolle auf dem Handy von Martina H., die 2007 für einige Monate die Freundin des damals in Dieburg tätigen Polizisten war. Die beiden blieben sich über Jahre hinweg freundschaftlich verbunden. Publik wurde der Verdacht gegen den Beamten aber erst Anfang 2019, als Berichte über rechte Netzwerke in der Polizei in Frankfurt und Mittelhessen die Sicherheitsbehörden in dem Bundesland in Misskredit brachten.

Polizei und Staatsanwaltschaft fanden allerdings keine Hinweise darauf, dass sich der inzwischen in Niedersachsen tätige Polizist in der rechten Szene bewegt oder radikales Gedankengut verbreitet. Der sichtlich angegriffene Mann bestritt in der Verhandlung, Neonazi-Sympathien zu hegen. Vom rechtsextremen Engagement der Bekannten Martina H. will er bis zum Beginn der Ermittlungen wegen seines Geheimnisverrats nichts gewusst haben. Der Polizist, der offenkundig unter dem Verfahren leidet und derzeit krankgeschrieben ist, sagte vor Gericht, er habe sich Anfang 2016 in einer belastenden Ausnahmesituation befunden. Warum er als Polizist, der eine besondere Schutzpflicht für den Rechtsstaat hat, die drängenden Bitten von Martina H. erfüllt habe, könne er sich nicht mehr erklären: "Ich fasse mich heute selber an den Kopf". Er bekundete Reue und sagte, so etwas werde ihm nie wieder passieren. Er hatte Martina H. mitgeteilt, dass es sich bei Carsten M. um einen "Schwerverbrecher" handele, von dem sie sich unbedingt fernhalten solle. Der Beamte muss sich nun noch einem Disziplinarverfahren stellen, das Konsequenzen für seine berufliche Zukunft haben dürfte.

Martina H. wurde in Dieburg wegen Anstiftung zum Geheimnisverrat zu einer Geldstrafe von 1875 Euro verurteilt. Die Summe ist niedriger, weil sie derzeit arbeitslos ist und sich die Tagessätze nach dem Einkommen der Verurteilten richten.

Der Vorsitzende Richter Christian Meisinger betonte, dass der Fall des Polizeibeamten nichts mit den übrigen mutmaßlich rechtsextremen Gruppen in der hessischen Polizei zu tun hätte. Die fragwürdigen Umtriebe insbesondere in einem Frankfurter Polizeirevier, wo Beamte verdächtige Telefonbotschaften ausgetauscht hatten und womöglich in einen Drohbriefskandal um eine Anwältin verwickelt sind, bringen den hessischen Innenminister Peter Beuth (CDU) seit Monaten in Bedrängnis. Auch am Donnerstag beschäftigte sich der Innenausschuss des Landtages mit den Fällen. Innenminister Beuth versicherte dort abermals, die Ermittlungen gegen die verdächtigen und vom Dienst suspendierten Beamten liefen auf Hochtouren. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen sei die Aufklärung bisher allerdings schwierig und zäh. Die Verdächtigen schwiegen bislang zu allen Vorwürfen.

© SZ vom 22.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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