Prozess gegen russische Band "Pussy Riot":Angeklagte wirft Gericht stalinistische Methoden vor

In ihrem Schlusswort zeigen sich die angeklagten Putin-Kritikerinnen der Band "Pussy Riot" kämpferisch - und verurteilen den Ablauf des Prozesses in Moskau: Er sei "politische Unterdrückungsanordnung" wie die Schnellverfahren unter dem sowjetischen Diktator Stalin. Ob das die Richterin beeindruckt, muss sich zeigen.

Im international aufmerksam beobachteten Prozess gegen die drei Frauen der russischen Punkband "Pussy Riot" wird das Urteil erst am 17. August verkündet. Das entschied Richterin Marina Syrowa nach den Schlusserklärungen der Angeklagten.

Pussy Riot trial in Moscow

Prozess wie zu Stalins Zeiten: Die Angeklagte Nadeschda Tolokonnikowa zeigt sich beim Gang ins Gericht kämpferisch.

(Foto: dpa)

Die Angeklagte Nadeschda Tolokonnikowa sagte in ihrem Schlusswort, der Prozess sei eine "politische Unterdrückungsanordnung" und vergleichbar mit den berüchtigten Schnellverfahren zur Zeit des sowjetischen Diktators Josef Stalin in den dreißiger Jahren. "Während des gesamten Verfahrens wurde uns nicht zugehört", beklagte sie aus einem Glaskasten heraus, in dem die Frauen im Gerichtssaal eingesperrt wurden.

Zugleich sagte Tolokonnikowa "den Kollaps dieses politischen Systems" voraus. Sie schloss mit einem Zitat aus einem "Pussy Riot"-Song: "Stoßt die Türen auf, werft die Fesseln ab und spürt den Wind der Freiheit mit uns." Als die drei Frauen aus dem Saal geführt werden, brach das Publikum in lauten Applaus aus. Im Netz verbreiten Anhänger der Sängerinnen in Windeseile Einzelheiten aus dem Prozess in Dutzenden Sprachen.

Der Staatsanwalt hatte am Dienstag drei Jahre Gefängnis für Tolokonnikowa und ihre Mitangeklagten Jekaterina Samuzewitsch und Maria Aljochina gefordert. Die Frauen hätten die Gefühle von russisch-orthodoxen Gläubigen verletzt, betonte die Anklage.

Die Verteidigung plädierte dagegen auf Freispruch. Die Verteidiger der Angeklagten warfen dem Gericht Willkür vor: "Selbst unter Stalin waren die Gerichte ehrlicher als dieses", zitierte die britische Zeitung Guardian Anwalt Nikolai Polosow. "In sowjetischen Zeiten haben sie sich wenigstens an eine Art Prozedur gehalten."

Die zwischen 22 und 29 Jahre alten Russinnen hatten am 21. Februar in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale gegen den derzeitigen Präsidenten Wladimir Putin protestiert. Mit Skimützen vermummt und in Minikleidern hatten sie ein "Punk-Gebet" vorgetragen: "Jungfrau Maria, Mutter Gottes, räume Putin aus dem Weg!" Für viele russisch-orthodoxe Gläubige waren schon Kleidung und Vermummung Blasphemie.

Präsident Putin hatte "Pussy Riot" mehrfach kritisiert, sich zuletzt aber für eine milde Bestrafung ausgesprochen. Die Staatsanwaltschaft schien dem Folge zu leisten, indem sie statt der möglichen Höchststrafe von sieben Jahren nur drei Jahre Gefängnis forderte. Dabei sei mildernd berücksichtigt worden, dass zwei der Frauen kleine Kinder hätten und sie ein gutes Führungszeugnis vorweisen könnten.

Kommentatoren sprechen von einem beispiellosen Justizskandal mit dem Ziel, die Opposition gegen Putin einzuschüchtern. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat die seit März inhaftierten Frauen von "Pussy Riot" als politische Gefangene anerkannt. Auch mehr als 100 Bundestagsabgeordnete kritisierten den Prozess als politisch motiviert.

Auch die Bundesregierung verfolgt den umstrittenen Gerichtsprozess gegen die drei Mitglieder der russischen Punkband Pussy Riot mit Sorge. "Die Deutsche Botschaft beobachtet den Prozess nicht nur aus der Ferne, sondern war auch bei der Verhandlung anwesend und steht mit Anwälten der Gruppe in Kontakt", sagte ein Sprecher von Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) in Berlin. Zudem habe der Menschenrechtsbeauftragte Markus Löning "bereits die Unverhältnismäßigkeit dieses Prozesses verurteilt".

Auch Prominente machen sich für die angeklagten Putin-Kritikerinnen stark: Popstars wie Madonna - zuletzt auf einem Konzert in Moskau - und Sting forderten Freiheit für "Pussy Riot" und verteidigten das Recht auf freie Meinungsäußerung.

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