Prozess gegen Hintermänner von 9/11:Gericht entscheidet über Geheimhaltung von Foltermethoden

Im Zweifel geheim: US-Behörden wollen unbedingt verhindern, dass fünf Al-Qaida-Kämpfer in Guantanamo über Folter berichten - nun entscheidet ein Militärrichter. Dadurch verzögert sich der Prozess gegen die Hintermänner der Terroranschläge vom 11. September 2001 erneut.

Reymer Klüver

Prozess gegen Hintermänner von 9/11: Einer der Angeklagten - Chalid Scheich Mohammed - im Gerichtssaal von Guantanamo im Mai dieses Jahres. Er gilt als einer der Hintermänner der Anschläge vom 11. September 2001.

Einer der Angeklagten - Chalid Scheich Mohammed - im Gerichtssaal von Guantanamo im Mai dieses Jahres. Er gilt als einer der Hintermänner der Anschläge vom 11. September 2001.

(Foto: AFP)

Nach monatelanger Unterbrechung versucht die US-Militärjustiz, das bereits lange verzögerte Verfahren gegen fünf mutmaßliche Hintermänner der Terroranschläge von 11. September 2001 im amerikanischen Internierungslager Guantanamo auf Kuba erneut in Gang zu bekommen. In einer Serie von Anhörungen soll vor einem Militärtribunal in dieser Woche geklärt werden, welche Rechte die Angeklagten in dem bisher strikter Geheimhaltung unterworfenen Kriegsverbrecherprozess zustehen.

Im Kern geht es darum, ob die fünf Al-Qaida-Kämpfer über Folterungen vor ihrer Überstellung nach Guantanamo öffentlich berichten dürfen. Die US-Behörden wollen das verhindern. Die Entscheidung darüber soll nun ein Militärrichter in Guantanamo fällen. Die fünf Angeklagten müssen im Falle einer Verurteilung mit der Todesstrafe rechnen.

Alle fünf - neben dem mutmaßlichen Chefplaner der Anschläge in den USA, Chalid Scheich Mohammed, Ramzi Binalshibh, Ali Abd al-Aziz Ali, Mustafa Ahmad al-Hawsawi und Walid bin Attash - waren nach ihrer Festnahme im Jahr 2003 über Jahre in Geheimgefängnissen der CIA oder nahestehender Geheimdienste festgehalten worden. Dort dürften sie gefoltert worden sein. Jedenfalls wurden sie den seinerzeit von Präsident George W. Bush gebilligten sogenannten "erweiterten Verhörmethoden" unterzogen wie dem water boarding. Letzteres hatte Bushs Nachfolger Barack Obama als Folter bezeichnet.

Die US-Militärbehörden wollen durch strikte Geheimhaltungsvorschriften verhindern, dass die Angeklagten von diesen Verhören berichten können. Unter anderem sollen die Aussagen vor Gericht erst mit 40 Sekunden Verzögerung in den kleinen Zuschauerraum in Guantanamo übertragen werden - so dass genug Zeit bliebe, bei Verstößen gegen die Geheimhaltungsvorschriften den Ton abzustellen.

Dagegen haben die Verteidiger, die Bürgerrechtsorgansiation ACLU und 14 Medienunternehmen Beschwerde eingelegt. Offiziell wird die Geheimhaltung damit begründet, dass die Aussagen den Terrororganisationen Rückschlüsse auf die Methoden der US-Behörden ermöglichten.

Der Prozess kommt kaum voran

Die ACLU, eine der ältesten Bürgerrechtsorganisation der USA, hatte von Anfang an gegen die Militärtribunale protestiert. Es ist nun allerdings das erste Mal, dass ein Militärgericht die ACLU auch anhört. Der Versuch, Aussagen der Angeklagten über ihre Folterungen der Öffentlichkeit vorzuenthalten, sei "moralisch verwerflich", heißt es in einer Erklärung der Organisation. Sollte es bei dem "Zensurregime" bleiben, würden die Tribunale "sicherlich nicht als legitim angesehen".

Ursprünglich hatte die Regierung Obama das Lager in Guantanamo schließen und alle dort noch einsitzenden Häftlinge (mittlerweile noch 166) in Haftanstalten in den USA überführen wollen. Die fünf mutmaßlichen 9/11-Hintermänner wollte sie vor ein ziviles Strafgericht in New York stellen. Beide Unterfangen scheiterten indes an breitem Widerstand nicht nur der Republikaner, sondern auch aus den Reihen der Demokraten.

Erst danach hatte sich Obama entschlossen, die von seinem Vorgänger Bush eingesetzten militärischen Sondergerichte in revidierter Form wieder einzusetzen. Tatsächlich haben die Angeklagten nun deutlich mehr Rechte, als ihnen unter Bush zugestanden worden waren. Dennoch sind die Verfahren kaum mit einem Strafprozess vor einem Zivilgericht zu vergleichen. Unter anderem haben die Angeklagten Zugang zu Beweismitteln nur, wenn die Militärstaatsanwaltschaft zustimmt. Zeugen können sie nur benennen, wenn die Staatsanwaltschaft sie billigt.

Der spektakuläre Prozess gegen Mohammed und seine vier Mitangeklagten kommt bisher ohnehin kaum voran. Die Anklageerhebung im Mai verlief turbulent, weil die fünf Häftlinge lautstark die Legitimität des Militärtribunals anzweifelten. Die für diese Woche vorgesehenen Anhörungen sollten eigentlich bereits im August stattfinden, wurden dann aber wegen des Hurrikans Isaac und des muslimischen Fastenmonats Ramadan auf Oktober vertagt.

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