Prozess gegen Ex-Senator Edwards:Der tiefe Fall eines Überfliegers

Als Mitfavorit im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur 2008 hat John Edwards den Höhepunkt seiner Karriere erlebt. Dann stolperte er über eine Liebesaffäre. Um die zu vertuschen, soll er im Wahlkampf 900.000 Dollar von privaten Spendern genutzt haben. Jetzt muss er sich vor Gericht verantworten.

Reymer Klüver, Washington

Großes, ganz Großes schien das Leben einmal bereit zu halten für John Edwards, den Sohn eines einfachen Textilfabrikarbeiters in einer grässlich verschlafenen Kleinstadt in North Carolina. Mit Intelligenz, Fleiß und Charme war er aufgestiegen zu einem erfolgreichen Rechtsanwalt und Multimillionär, vertrat seinen Heimatstaat als Senator in Washington.

Former U.S. Senator John Edwards leaves the federal courthouse with his daughter Cate during a break in Greensboro

Ein gebeugter Mann oder nur gespielte Reue? Der frühere US-Senator John Edwards verlässt mit seiner Tochter Cate das Gerichtsgebäude.

(Foto: REUTERS)

Als möglicher Justizminister oder Richter am Supreme Court der USA wurde er gehandelt. Vizepräsidentschaftskandidat der Demokraten war er 2004. Vier Jahre später wollte er Präsident der Vereinigten Staaten werden. Die Chancen standen zunächst nicht schlecht. Doch dann kam der jähe Absturz, ein tiefer, tiefer Fall - und der hatte nichts damit zu tun, dass ein anderer, Barack Obama, sich damals im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten als zugkräftiger erwies.

Nun sieht es aus, als könne John Edwards noch weiter fallen, ins Bodenlose taumeln: Im Wahlkampf 2007/2008 als Advokat der Armen Amerikas angetreten, ist er nun angeklagt, in dieser Zeit Spendengelder seiner Wahlkampagne zur Vertuschung einer Liebesaffäre benutzt zu haben. Es geht um mehr als 900.000 Dollar. Sollten ihn die Geschworenen am Bundesgericht in Greensboro in North Carolina schuldig sprechen, drohen dem heute 58-jährigen Ex-Senator bis zu 30 Jahre Haft. Noch in dieser Woche könnten sie ihr Urteil fällen.

Begonnen hatte alles im Februar 2006, als Edwards in der Bar des New Yorker Regency Hotel zufällig Rielle Hunter traf, eine jüngere, arbeitslose blonde Frau. Ein halbes Jahr später war sie für satte 100.000 Dollar als Filmproduzentin im Auftrag von Edwards Wahlkampagne unterwegs - und seine Geliebte. Alles zu einer Zeit, da seine inzwischen verstorbene Frau Elizabeth mit dem erneuten Auftreten ihrer Krebserkrankung zu kämpfen hatte und sie und ihr Mann sich in einer im Fernsehen übertragenen Zeremonie nach 30 Jahren Ehe noch einmal Treue schworen.

In Edwards Wahlkampfteam schöpften sie Verdacht. Eine krebskranke Frau und eine Affäre mitten im Wahlkampf - die Geschichte hätte seine Kandidatur ohne Zweifel sofort erledigt. Aber auch auf Vorhaltungen enger Mitarbeiter leugnete Edwards alles, obwohl die damals 42-jährige Hunter ihn öffentlich "Johnny" nannte, was niemand sonst wagte. Edwards setzte die Affäre fort, hatte ein Handy nur für ihre Anrufe und tat alles, die Affäre vor seiner Frau zu verbergen. Umso mehr, als Hunter Ende Mai 2007 schwanger geworden war.

Einkaufstrips zum "Ruhigstellen"

Reiche Freunde gaben Edwards an den offiziellen Kassen seiner Wahlkampagne vorbei heimlich insgesamt 900.000 Dollar und luden Hunter auf Einkaufstrips nach Los Angeles ein, um sie "ruhigzustellen". So rechtfertigten sie sich jedenfalls gegenüber Elizabeth Edwards, die Wind von den Einkaufstrips bekommen hatte und ihrem Mann während der heißen Vorwahlkampfphase Ende 2007 eine Szene machte.

Edwards gab nur ein kurzes Techtelmechtel zu, leugnete aber, dass die Affäre weitergegangen sei. Zur selben Zeit gab sein enger Wahlkampfmitarbeiter Andrew Young - offenkundig auf Edwards Veranlassung hin - bekannt, er selbst habe eine Affäre mit Hunter gehabt und sei der Vater ihres (damals noch) ungeborenen Kindes. Edwards unterlag trotz eines intensiven Wahlkampfs seinen Mitbewerbern Barack Obama und Hillary Clinton. Die Affäre spielte in der Öffentlichkeit noch keine Rolle; Edwards räumte die Vaterschaft erst zwei Jahre später ein.

Die Anklage sagt nun, dass die insgesamt 725.000 Dollar, die ihm die heute 101 Jahre alte Multimillionärin Rachel "Bunny" Mellon 2007 und Anfang 2008 zukommen ließ, in Wahrheit Wahlkampfspenden waren. Das wäre eine eklatante Verletzung der Gesetze zur Finanzierung des Wahlkampfs. Vor vier Jahren durfte eine Präsidentschaftswahlkampagne höchstens 4600 Dollar von einem einzelnen Spender akzeptieren. Von einem weiteren Unterstützer kamen fast 200.000 Dollar.

Edwards Verteidigung hält mit einer Doppelstrategie dagegen. Zum einen behaupten seine Anwälte, dass nicht ihr Klient allein hinter der ganzen Aktion gestanden habe. Vielmehr sei Hauptnutznießer sein Mitarbeiter Young gewesen, der den Löwenanteil des Geldes in den Bau seines Eigenheims gesteckt habe.

Zum anderen aber seien die Gelder eigentlich keine Spende zur Finanzierung des Wahlkampfs gewesen, sondern eine großzügige, private Unterstützungsaktion von Freunden, die Edwards helfen wollten, seine Affäre vor seiner Frau und der amerikanischen Öffentlichkeit im Verborgenen zu halten. Was moralisch zweifelhaft, aber nicht rechtlich angreifbar wäre. "Die große Frage, die die Verteidigung aufgeworfen hat, ist tatsächlich, ob das Geld Spenden waren oder nicht. "Das ist eine Grauzone", sagt beispielsweise Catherine Dunham, Rechtsprofessorin an der Elon University in North Carolina.

Reuiger Sünder oder guter Schauspieler?

Der John Edwards im Jugendstil-Gerichtssaal von Greensboro ist ein anderer als der Mann, dem noch vor gut vier Jahren die Herzen von Millionen demokratischen Wählern zugeflogen waren. Damals trat er stets braungebrannt auf, fast faltenlos und mit gewinnendem Lächeln. Mit seiner vom vielen Reden oft heiseren Stimme sprach er von den "zwei Amerikas", in die er sein Land zerfallen sah: das der Reichen und das der armen Massen. Er gab sich als Rächer der Entrechteten. Und stets war er bei solchen Auftritten umschwärmt von begeisterten Menschen. Schüttelte Zehntausende Hände, hatte immer ein gutes Wort parat, schien ganz Ohr zu sein für verzweifelte Menschen, die auf ihn setzten.

Heute sieht Edwards oft müde aus, Furchen durchziehen sein Gesicht. Die Selbstsicherheit, mit der er sich einst durch die Menge bewegte, scheint verflogen. Nach allem, was man nun über Edwards weiß, kann niemand sicher sein, ob die Zerknirschung echt ist oder nur gespielt, auf Anordnung seines Verteidigers, der den Geschworenen einen reuigen Sünder präsentieren will, einen von der Last seines Schicksal zutiefst gebeugten Mann.

Sein Anwalt Abbe Lowell spielte in seinem Schlussplädoyer in der vergangenen Woche auf die verlorene Ehre an, auf das Geständnis seiner Untreue gegenüber seiner todkranken Frau, auf seine öffentliche Demütigung: "John Edwards hat seine Sünden gestanden. An ihnen wird er lebenslang zu tragen haben. Aber er hat nicht das Gesetz gebrochen."

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