Während der Gezi-Proteste hatten Fans aller drei sonst tief verfeindeten Istanbuler Fußballclubs sich auf dem zentralen Taksim-Platz verbrüdert und die meist jungen Leute unterstützt, die 15 Tage lang für den Erhalt des kleinen Gezi-Parks und gegen die massive Gewalt der Polizei demonstrierten.
Vor dem Gericht sind am Dienstag, wie bei Gezi, Spezialeinheiten der Polizei in großer Stärke präsent. Viele Beamte haben sich schwarze Tücher über Mund und Nase gezogen und tragen Tränengasgewehre. Wasserwerfer sind ebenfalls aufgefahren.
Prozesse können sich in der Türkei über Monate oder Jahre hinziehen. Am Dienstag zeigt der Richter zumindest insofern Erbarmen, als er nach Stunden in einen größeren Saal umziehen lässt. "Das erste Tor für uns", jubeln die Fußball-Fans auf dem Gerichtsflur. Vor dem Justizpalast werden die Parolen härter. "Beşiktaş-Çarsı gegen Faschismus", skandiert die Menge. Inzwischen sind auch Fans anderer Clubs gekommen, dazu Abgeordnete der größten Oppositionspartei CHP und Gewerkschafter, die ihre Solidarität bekunden.
Der Präsident leistet sich einen Schienbeintritt gegen die EU
Der Mann, dem der Protest vor dem Gericht eigentlich gilt, ist Recep Tayyip Erdoğan, während der Gezi-Proteste noch Premier und inzwischen türkischer Staatspräsident. Erdoğan bezeichnet die Gezi-Widerständler bis heute als "Lumpen".
Am Montag hatte sich Erdoğan einen Schienbeintritt gegen die Europäische Union geleistet. Er hatte der EU geraten, die zuvor starke Kritik Richtung Ankara geäußert hatte, sich "um ihre eigenen Angelegenheiten" zu kümmern, statt die Türkei wegen der Festnahmen von rund zwei Dutzend Journalisten zu kritisieren. Erdoğan rechtfertigte die Verhaftungen als Maßnahme der "nationalen Sicherheit" und meinte, in solchen Fällen sei es der Türkei "egal, was die EU zu sagen hat und auch egal, ob die EU uns aufnimmt".
Die türkische Massenzeitung Hürriyet titelte in ihrer Dienstagausgabe: "Großer Bruch mit der EU." In der Zeitung Taraf kommentierte der Politikwissenschaftler Cengiz Aktar: Für die Türkei gebe es keinen Weg zurück in ein "Fake-Osmanentum", alles außer der EU sei eine "gigantische Illusion". Dagegen sprang Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu dem Präsidenten Erdoğan bei und beharrte: "Wir können eine solche harte Kritik an der Türkei nach dem Beginn eines Justizverfahrens nicht akzeptieren." Die Türkei, so sagte der Minister, wolle weiterhin Mitglied der EU werden.