Prozess gegen Aktivisten:China stellt Xu Zhiyong vor Gericht

Lesezeit: 2 Min.

Undatiertes Videostill des chinesischen Bürgerrechtlers Xu Zhiyong, aufgenommen während seiner Haft. Heute steht Zhiyong vor Gericht. (Foto: dpa)

Er ist einer der wichtigsten Bürgerrechtler des Landes: Am Anfang seiner Karriere lobten die chinesischen Staatsmedien Xu Zhiyong noch, nannten ihn einen der "Top Ten"-Juristen des Landes. Doch jetzt steht der Anwalt vor Gericht - ihm drohen bis zu fünf Jahre Haft.

Von Kai Strittmatter, Peking

Der chinesische Traum. Xu Zhiyong hat einen. "Ich wünschte, unser Land wäre ein freies und glückliches", so beschrieb ihn der Rechtsanwalt in der chinesischen Ausgabe des Magazins Esquire im Jahr 2009. Da war er schon bekannt in China, als Idealist und Kämpfer für die Rechte anderer. Seit mehr als einem Jahr jetzt ist Xi Jinping Chinas neuer Partei- und Staatschef. Xi hat auch einen Traum, den von einem starken China. Menschen wie Xu Zhiyong haben darin anscheinend keinen Platz.

Am heutigen Mittwoch wird Xu der Prozess gemacht, seinen Mitstreitern die Tage darauf. Angeklagt sind sie wegen "Störung der öffentlichen Ordnung". Ihr Verbrechen: Sie hatten sich zur "Neuen Bürgerbewegung" zusammengeschlossen - und nahmen dort die Schwüre der Parteiführung zum Kampf gegen Korruption ernst. Konkret verlangten sie Transparenz, die Offenlegung der Vermögensverhältnisse der Parteikader.

Ein Streiter für ein besseres China war der 1973 geborene Xu Zhiyong schon zu Beginn seiner Karriere als Anwalt, und da er sich nie radikal gebärdete, hatte die Regierung lange kein Problem damit. Als er sich für die Opfer von verseuchtem Milchpulver einsetzte, lobten ihn Staatsmedien. Als er nach einem Todesfall in Polizeigewahrsam 2003 gemeinsam mit einem Kollegen eine Petition gegen die zwangsweise Deportation nicht registrierter Stadtbürger formulierte, da schaffte Premier Wen Jiabao kurz darauf das System tatsächlich ab. Das Staatsfernsehen nahm ihn 2002 in seine Liste der "Top Ten Juristen" des Landes auf, 2003 wurde er gar als Unabhängiger ins Lokalparlament des Pekinger Stadtteils Haidians gewählt.

Bald darauf begann er, Schikanen durch den Sicherheitsapparat zu spüren. Seine "Offene Verfassungsinitiative" wurde 2009 verboten, er selbst für kurze Zeit festgesetzt wegen angeblicher Steuerhinterziehung. Die Gründung der "Neuen Bürgerbewegung" 2012 fiel zusammen mit dem anstehenden Machtwechsel in China. Xu und seine Mitstreiter hofften auf politische Reformen. Sie wollten der schwachen Zivilgesellschaft ein Gesicht geben. Xu träumte "vom Abschied von der Autokratie". Die Bewegung war vor allem aktiv im Netz und wuchs schnell auf 5000 Mitglieder. Ihre Forderung nach finanzieller Transparenz bei Funktionären fiel zusammen mit einer Reihe spektakulärer Korruptionsfälle - und mit dem Gelöbnis von Parteichef Xi, der Korruption ein Ende zu setzen.

Schnell jedoch zeigte sich, dass Xi mehr noch als die Korruption jede Organisation außerhalb der KP, jeden Keim von echter Zivilgesellschaft fürchtet. Im vergangenen Jahr sind schätzungsweise 160 Aktivisten im Gefängnis verschwunden. Wenn China einmal ein Rechtsstaat sei, sagte Xu vor einem Jahr, dann könne jeder "frei von Unterdrückung, in Wahrheit und Gerechtigkeit leben". Freunde berichten, er wolle bei seinem Prozess schweigen, aus Protest: Der Richter hat es Xus Anwalt verweigert, Zeugen aufzurufen.

© SZ vom 22.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: