Proteste:Russland setzt auf Abschreckung

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Will bei der Wahl 2018 antreten: Der Oppositionelle Alexej Nawalny wird in Moskau von Polizisten abgeführt. (Foto: Evgeny Feldman/AP)
  • In der Folge der landesweiten Proteste in Russland hat ein Gericht den Oppositionellen Nawalny zu einer Geldstrafe von umgerechnet 320 Euro verurteilt.
  • Darüber hinaus muss er 15 Tage in Arrest bleiben, weil er bei seiner Festnahme Widerstand geleistet haben soll.
  • Anlass für die Proteste war ein Video, in dem Nawalny Ministerpräsident Medwedjew vorwirft, über Tarnorganisationen unter anderem Luxusanwesen in Russland zu besitzen.

Von Julian Hans, Moskau

Der russische Staat hat auf die landesweiten Proteste vom Sonntag vorerst milde reagiert. Die meisten der mehr als tausend Festgenommenen kamen noch in der Nacht oder am Montag frei. Ein Moskauer Gericht verhängte gegen den Oppositionsführer Alexej Nawalny eine Geldstrafe von umgerechnet 320 Euro wegen Teilnahme an einer nicht genehmigten Demonstration. Er hatte zu den Protesten aufgerufen. Darüber hinaus muss er 15 Tage in Arrest bleiben, weil er bei seiner Festnahme Widerstand geleistet haben soll.

Derweil ist offen, wann Nawalnys Stiftung zur Korruptionsbekämpfung ihre Arbeit wieder aufnehmen kann. Während der Demonstrationen am Sonntag hatten Polizisten Mitarbeiter Nawalnys festgenommen, die Kundgebungen aus Dutzenden Städten im Internet übertrugen. Die Behörden werfen ihnen vor, extremistische Inhalte verbreitet zu haben. Büroräume wurden durchsucht, Computer und Kisten mit Dokumenten beschlagnahmt.

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Nawalnys Vorwurf an Ministerpräsident Medwedjew

Seit ihrer Gründung 2011 hat Nawalnys Stiftung zahlreiche Recherchen darüber veröffentlicht, wie sich Abgeordnete, Minister, Justizbeamte und Freunde des Präsidenten aus der Staatskasse bedienen. Anlass für die jüngsten Proteste war ein Video, das die Stiftung vor drei Wochen veröffentlicht hatte. Darin wirft Nawalny Ministerpräsident Dmitrij Medwedjew vor, über Tarnorganisationen fünf luxuriöse Anwesen in Russland sowie zwei Weingüter am Schwarzen Meer und in der Toskana sowie zwei Yachten zu besitzen. Die Immobilien mit einem geschätzten Wert von mehr als einer Milliarde Euro sollen reiche Geschäftsleute einer Tarnorganisation als Schenkung überlassen haben.

Da es weder von der Justiz noch aus dem Kreml oder dem Parlament eine Reaktion gab, wollten die Demonstranten diese auf der Straße einfordern. Nawalny, der seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2018 angekündigt hat, war in den vergangenen Wochen durch das Land gereist und hatte Wahlkampfbüros eröffnet. Anders als bei früheren Straßenprotesten beteiligten sich am Sonntag auffallend viele Schüler und Studenten.

Wladimir Putins Sprecher Dmitrij Peskow betonte, der Kreml achte die freie Meinungsäußerung. Dies müsse aber im Rahmen der Gesetze geschehen. Die Moskauer Stadtverwaltung hatte nur eine Route in einem Außenbezirk genehmigt. Wahlweise könnten die Teilnehmer ihre Kundgebung auf einem für diese Zwecke eingerichteten umzäunten Platz abhalten. Daraufhin hatte Nawalny zu einem Spaziergang im Zentrum aufgerufen und allen Teilnehmern juristische Unterstützung in Aussicht gestellt, sollte ihr in der Verfassung verbürgtes Recht auf Versammlungsfreiheit verletzt werden.

Aus dem Ausland kam Kritik am Vorgehen der Behörde

Die Organisatoren hätten "Kinder bewusst in die Irre geführt", behauptete Peskow am Montag. Ihnen seien "gewisse Belohnungen in Aussicht gestellt worden". Damit könnten er Strafzahlungen gemeint haben, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) russischen Staatsbürgern zugesprochen hat. Der EGMR verurteilte Russland dieses Jahr mehrmals wegen Verletzungen der Versammlungsfreiheit. Dabei ging es unter anderem um Festnahmen Nawalnys. Die Straßburger Richter machten deutlich, dass sie die Rechtsverletzungen nicht für Einzelfälle hielten, und warnten vor einem abschreckenden Effekt.

Aus dem Ausland kam Kritik am Vorgehen der Behörden. Russland bekenne sich zur Versammlungs- und Meinungsfreiheit, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. "Dass das nun auch eingehalten wird, diese hohen Prinzipien, das ist für die russische Demokratie von hoher Bedeutung." Der Europarat erinnerte Moskau daran, dass sich Russland mit seinem Beitritt 1996 zur Menschenrechtskonvention verpflichtet habe. "Die Festnahme Hunderter Bürger, einschließlich des Oppositionsführers Alexej Nawalny, bei der Ausübung ihrer Meinungs- und Versammlungsfreiheit" werfe Fragen auf, teilte der Generalsekretär Thorbjørn Jagland mit.

© SZ vom 28.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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