Machtkampf in der Ukraine:Polizei geht gegen Opposition vor

Interior Ministry personnel block a street during a gathering of supporters of EU integration during snowfall in Kiev

Erst Aufmarsch, dann Eingriff: Die Polizei in Kiew geht gegen die Opposition vor.

(Foto: REUTERS)

Die ukrainische Regierung macht Ernst: Nach Angaben der Vaterlandspartei von Oppositionsführererin Timoschenko hat die Polizei die Parteizentrale gestürmt. In Kiews Straßen bauen die Sicherheitskräfte die Barrikaden eines Protestlagers ab. Tausende Demonstranten trotzen der Staatsgewalt.

In der ukrainischen Hauptstadt Kiew hat die Polizei am Montag den Sitz der Vaterlandspartei der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko gestürmt. Sondereinsatzkräfte seien mit Gewalt in den Parteisitz eingedrungen, teilte die Parteisprecherin Marina Soroka am Nachmittag auf ihrer Facebook-Seite mit. Die proeuropäische Partei führt die seit Wochen andauernden Proteste gegen Präsident Viktor Janukowitsch mit an. Die Polizei wies die Angaben zurück, unabhängige Berichte gab es zunächst nicht. Außerdem sollen Polizisten begonnen haben, Camps der protestierenden Oppositionellen abzubauen.

Die Situation hatte sich über den Tag hinweg zugespitzt: Hunderte Regierungsgegner versperren in Kiew Zufahrtsstraßen zum Zentrum der Hauptstadt. Mit Holzpaletten, Autos und Müllcontainern blockieren die Oppositionellen mehrere Regierungsgebäude. Auch die Gegenseite rüstete auf: Aus drei Bussen strömten etwa 200 Polizisten mit Helmen, Schutzanzügen und Schilden, bezogen etwa 50 Meter vom Rathaus entfernt Positionen. Zudem verlegte das Innenministerium wegen der andauernden Proteste etwa 700 zusätzliche Mitglieder einer Sondereinheit nach Kiew.

Trotz der Spannungen waren zunächst beide Seiten aufeinander zugegangen. Nach der Großkundgebung mit Hunderttausenden Demonstranten vom Sonntag bekundeten Regierung und Opposition, gemeinsam einen friedlichen Ausweg aus der kritischen Lage finden zu wollen. Präsident Viktor Janukowitsch begrüßte den Vorschlag seines Amtsvorgängers Leonid Krawtschuk, Gespräche der Opposition zu führen. Die Bildung eines Runden Tisches könne zur Verständigung führen, heißt es auf der offiziellen Internetseite des Präsidenten.

Der führende Oppositionspolitiker und Profiboxer Vitali Klitschko erklärte sich unmittelbar nach Bekanntwerden des Gesprächsangebots zu einem Treffen mit Janukowitsch bereit, beharrte aber auf den Rücktritt der Regierung. Klitschko äußerte zudem die Befürchtung, dass die Polizei das Rathaus trotz des Verhandlungsangebots räumen werde.

Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton reist am Dienstag zu einer Vermittlungsmission in die Ukraine. Eine Kommissionssprecherin sagte, die EU-Chefdiplomatin wolle sich für eine politische Beilegung der seit Wochen andauernden Krise einsetzen. Sie werde sich sowohl mit Vertretern der Führung um Präsident Janukowitsch als auch mit den Regierungsgegnern treffen.

Westerwelle mahnt vor Missbrauch staatlicher Gewalt

In der vergangenen Woche hatte die Polizei die Besetzer aufgefordert, das Rathaus innerhalb von vier Tagen zu verlassen. Andernfalls würden sie von dort vertrieben. Zudem hatten die Behörden damit gedroht, die Organisatoren der Proteste strafrechtlich zu verfolgen.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle rief die Regierung der Ukraine auf, keine Gewalt gegen Demonstranten einzusetzen. "Es wäre fatal, wenn die friedlichen Proteste mit Druck, Drohungen oder Gewalt, von welcher Seite auch immer, untergraben würden", sagte Westerwelle am Rande eines Besuchs in Madrid nach Angaben seines Ministeriums. Alle staatlichen Organe müssten die Meinungs- und Versammlungsfreiheit schützen. Die Proteste dürften nicht für Akte der Gewalt missbraucht werden. "Das Strafprozessrecht ist sicher nicht dabei behilflich, eine gute Lösung zu finden", fügte Westerwelle hinzu.

Die Oppositionellen in der Ukraine protestieren gegen die Abwendung der ukrainischen Regierung von der Europäischen Union zugunsten einer engeren Bindung an Russland. Die Jankowitsch-Regierung hatte kürzlich unter wirtschaftlichem und politischem Druck Russlands die geplante Unterzeichnung eines Assoziierungsabkommens mit der EU überraschend abgesagt. Seitdem gibt es in Kiew immer wieder Massenproteste gegen die Staatsführung.

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