Der "letzte Tag der Schlacht" findet kein Ende. Nachdem die Opposition am Montag 150.000 Menschen für einen Protestmarsch durch Bangkok mobilisieren konnte, sollen die Demonstranten nun in der Nacht das Regierungsgebäude blockieren. Das Signal ist deutlich: Die von Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra vorgeschlagenen Neuwahlen gehen den sogenannten Gelbhemden nicht weit genug, sie wollen den sofortigen Rücktritt der Regierung.
Protestanführer Suthep Thaugsuban rief am frühen Abend (Ortszeit) bei einer Rede vor den Demonstranten eine "Volksrevolution" gegen die "parlamentarische Diktatur" aus. Der 64-Jährige, dessen Markenzeichen eine goldene Trillerferpfeife ist, hatte zuvor sein eigenes Schicksal mit dem Erfolg der Montagsproteste verknüpft: Werde es der Protestbewegung an diesem Tag nicht gelingen, die Regierung zu stürzen, würde er sich den Behörden stellen, hat er versprochen. Gegen Suthep liegt ein Haftbefehl wegen "Aufruhr" vor.

Dass der Aufruhr so schnell vorbei ist und sich Suthep von einem Haftbefehl aufhalten lässt, glaubt niemand. SZ-Korrespondent Arne Perras ist in Bangkok und bewertet die Lage folgendermaßen:
Suthep weiß, dass seine Anhänger bei demokratischen Wahlen keine Mehrheit erringen können, weil die Regierung auf eine große Wählerschaft in den ländlichen Gebieten Thailands im Norden und Nordosten zählen kann. Deshalb will der Anführer der Proteste andere Wege gehen, um den Einfluss der alten Eliten zu sichern. Wohin dies führt, ist schwer absehbar. Suthep hat wiederholt gefordert, einen Rat des Volks einzuberufen, der nicht mit gewählten, sondern ernannten Mitgliedern besetzt ist.
Suthep und seine Demokratische Partei Thailands gelten als der Monarchie und dem Establishment nahestehend. Allerdings gibt es bislang noch keine Anzeichen, dass das mächtige Militär versucht, wie bereits 2008, durch internen Druck für einen Machtwechsel zu sorgen.
Der Verfassung zufolge darf, ja muss, Yingluck bis zu den Wahlen eine Übergangsregierung führen. Ihr Kontrahent Suthep lehnt dies allerdings ab - er schlägt vor, dass König Bhumibol einen Ministerpräsidenten ernennt, der dann einer Art Expertenregierung vorsteht.
Der 86-Jährige Bhumibol hatte eine ähnliche Forderung bereits 2006 als "undemokratisch und irrational" abgelehnt. In seiner Geburtstagsansprache vergangene Woche rief er das Volk zur Einheit auf, verzichtete aber auf ein Machtwort. Weil das Volk den alternden Monarchen in höchstem Maße verehrt, gilt er jedoch als der Einzige, der mit seiner Autorität die politischen Lager zur Mäßigung bringen könnte. Zumindest hat das Königshaus inzwischen die Neuwahlen offiziell ausgeschrieben: Sie sollen am 2. Februar 2014 stattfinden.
Wenig überzeugender Märtyrer
Ob dies genügt, um die Straßenproteste zu beenden? Yingluck Shinawatra gilt für die Opposition als untragbar, und das nicht erst, seitdem sie ein auf ihren Bruder Thaksin Shinawatra zugeschnittenes Amnestiegesetz durchs Parlament bringen wollte. Der Milliardär und Ex-Premier gilt als heimlicher Regierungschef, der aus dem Exil in Dubai per Videoschalte seiner Schwester Befehle gibt.
Auch Protestanführer Suthep kaufen viele die selbstgewählte Märtyrerrolle nicht ab: Der langjährige Abgeordnete stand selbst im Verdacht, bei einer Landreform auf der Insel Phuket vor vielen Jahren reiche Familien allzu reichlich bedacht zu haben - statt der armen Bauern, die eigentlich profitieren sollten.
Als Vizepremier soll er zudem im Jahr 2010 zusammen mit dem damaligen Regierungschef (und heutigen offiziellen Oppositionsführer) Abhisit Vejjajiva den Befehl erteilt haben, gegen Anti-Regierungs-Demonstranten aus dem Thaksin-Lager gewaltsam vorzugehen. Bei den Großprotesten wurden 90 Menschen getötet.
Am Freitag soll eigentlich der Prozess gegen Suthep in Bangkok beginnen. Der Zeitpunkt der Proteste kommt dem 64-Jährigen also durchaus gelegen - auch aus einem anderen Grund: Weil in der Thaksin-Hochburg Isan (Nordostregion) gerade Reisernte ist, dominiert die Opposition das Straßenbild.
In einem aktuellen Aufsatz kommt der australische Politologe Nicholas Farreley zu dem Schluss, dass Thailand womöglich auf lange Zeit keine Stabilität zu erwarten hat - zu stark ist das Eigeninteresse der politischen Eliten, zu gering das Demokratieverständnis. "Die grundsätzlichen Strukturen des politischen Lebens sind nicht von erwachenden demokratischen Instinkten verändert worden", so sein Fazit.
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