Süddeutsche Zeitung

Syrien: Tote bei Militäraktion:Mit Scharfschützen gegen die Demonstranten

Nach Angaben von Menschenrechtler haben Sicherheitskräfte in zwei syrischen Städten ein Blutbad angerichtet: Mindestens 50 Menschen seien ums Leben gekommen. Indes lässt Präsident Assad den Tod eines 13-Jährigen untersuchen - der Junge soll von Regierungskräften gefoltert worden sein.

Mit brutaler Härte gegen das eigene Volk: Regierungskräfte haben in Syrien nach Angaben von Menschenrechtlern am Dienstag etwa 50 Zivilisten getötet. In der Stadt Rastan kamen den Angaben zufolge mindestens 41 Menschen ums Leben, in Hirak neun.

Die Opfer in Hirak, unter ihnen vier Ärzte und ein elfjähriges Mädchen seien durch Scharfschützen oder bei der Erstürmung von Häusern gestorben, sagte der Vorsitzende einer syrischen Menschenrechtsorganisation der Nachrichtenagentur Reuters. In der Stadt seien Panzer aufgefahren. In Rastan ging das Militär einer Menschenrechtsanwältin zufolge gegen Menschen vor, die für mehr Demokratie im Land demonstriert hätten.

Menschenrechtlern zufolge sind beim Versuch von Präsident Baschar al-Assad, die Proteste mit Waffengewalt niederzuschlagen, bislang etwa 1000 Zivilisten ums Leben gekommen. Das Ausmaß der Gewalt wurde international verurteilt und mit Sanktionen bestraft.

Die Meldungen des neuen Blutbads werfen ein zweifelhaftes Licht auf jüngste Ankündigungen von Präsident Baschar al-Assad, auf die Demonstranten zugehen zu wollen. Assad hatte dazu die Bildung einer Kommission verkündet, die einen "nationalen Dialog" führen soll. "Diese Stelle wird dafür zuständig sein, die Basis für einen nationalen Dialog zu schaffen, seine Funktionsweise und sein Programm festzulegen", hieß es am Mittwoch im syrischen Staatsfernsehen.

Dem Bericht zufolge traf sich Assad mit Mitgliedern der Kommission und forderte sie auf, allgemeine Prinzipien für einen Dialog festzulegen. Der Dialog solle "ein angemessenes Klima schaffen, in dem sich die verschiedenen Strömungen ausdrücken und ihre Vorschläge unterbreiten können". Die Kommission solle ein Wahlrecht und ein Parteiengesetz ausarbeiten, um mehr politische Teilhabe zu ermöglichen.

Bereits am Dienstag hatte die regierende Baath-Partei die Schaffung der Kommission angekündigt. Ihr sollen Vizepräsident Faruk al-Schareh und ranghohe Baath-Funktionäre sowie Vertreter der Nationalen Fortschritts-Front angehören, einem Zusammenschluss von Parteien, die von der Baath geführt werden. Außerdem sollen ein Schriftsteller und ein Professor in der Kommission sitzen.

Ebenfalls am Dienstag hatte Assad eine Generalamnestie für alle politischen Gefangenen erlassen. Mehrere hundert politische Häftlinge wurden daraufhin am Mittwoch freigelassen. Der Direktor des Syrischen Observatoriums für Menschenrechte, Rami Abdul-Rahman, sagte, darunter seien auch Häftlinge gewesen, die an den Protesten gegen die Regierung teilgenommen hätten.

Innenminister Mohammed Schaar ordnete unterdessen nach dem Tod eines 13-Jährigen eine Untersuchung an. Bilder der Leiche des Jungen waren im Internet und vom Fernsehsender al-Dschasira gezeigt worden und hatten einen Aufschrei der Empörung ausgelöst. Die Opposition hatte erklärte, dem Jungen sei das Geschlechtsteil abgeschnitten worden. Die Regierungsgegner beschuldigten die Regierungstruppen, den Jungen getötet zu haben.

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