Süddeutsche Zeitung

Proteste in Moskau:Russische Polizei nimmt Hunderte Menschen fest

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An der Lubjanka in Moskau staut sich normalerweise der Verkehr, doch am heutigen Samstag wirkte der Platz vor dem mächtigen Gebäude des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB wie ausgestorben. Die Bereitschaftspolizei hatte die Kreuzung im Zentrum der Stadt weiträumig abgeriegelt, um die Teilnehmer einer ungenehmigten Demonstration daran zu hindern, sich auf dem Platz zu versammeln.

Trotzdem kamen an diesem Samstag protestierende Menschen ins Moskauer Zentrum. Die Beamten nahmen Hunderte Demonstranten fest. Die Protesten richten sich gegen den Ausschluss wichtiger Oppositionskandidaten von der bevorstehenden Regionalwahl am 8. September. Dem Bürgerrechtsportal OWD-Info zufolge kamen bis zum Samstagnachmittag 600 Demonstranten in Gewahrsam. Auf Fotos von Journalisten war zu sehen, wie viele junge Teilnehmer in Polizeibusse gezerrt wurden. Demonstranten riefen "Schande" und "Russland wird frei sein". Die Behörden sprachen von 1500 Teilnehmern und bestätigten 600 Festnahmen.

Die liberalen Kräfte der Opposition hatten zu einem circa sieben Kilometer langen "friedlichen Spaziergang" über den Boulevardring aufgerufen, der das innerste Zentrum Moskaus eingrenzt. Erst am vergangenen Samstag war die Polizei in Moskau gewaltsam gegen friedliche Protestierende vorgegangen, die sich zu einer ungenehmigten Demonstration vor dem Rathaus der Stadt versammeln wollten. Dabei wurden knapp 1400 Menschen festgenommen. Im Vorfeld der Protestaktion am heutigen Samstag hatte die russische Polizei erneut angekündigt, hart gegen Demonstranten vorzugehen.

Oppositionspolitikerin Sobol unter den Festgenommenen

Die Sicherheitskräfte sperrten das Stadtzentrum am Boulevardring mit Metallgittern weiträumig ab. Für die Demonstranten war es damit kaum möglich, größere Menschenansammlungen zu bilden.

Über dem Puschkinplatz, dem Herzstück Moskaus, kreiste ein Hubschrauber. Dort fuhren auch viele Polizei- und Gefängnisbusse auf, um Festgenommene abzutransportieren. Die Sicherheitskräfte waren wie schon in der Vorwoche mit einem großen Aufgebot auf dem Platz. Sie erinnerten über Lautsprecher daran, dass sich alle an die öffentliche Ordnung halten sollten. Die Aktion sei nicht erlaubt.

Unter den Festgenommenen befand sich auch die Oppositionspolitikerin Ljubow Sobol, die selbst als Kandidatin von der Wahl zum Moskauer Stadtparlament ausgeschlossen worden war. Sie befindet sich deswegen seit drei Wochen in einem Hungerstreik. Die Polizei nahm sie auf dem Weg zur Demonstration in Gewahrsam.

Sobol gehört zum Team des inhaftierten Politikers Alexei Nawalny, der seit Ende Juli eine 30-tägige Arreststrafe absitzt, weil er zuvor zur Teilnahme an der ungenehmigten Demonstration vor dem Rathaus am 27. Juli aufgerufen hatte. Sie sagte vor der Kundgebung: "Die Menschen wollen Veränderung." Auch der prominente Kremlkritiker Ilja Jaschin wurde von den Behörden nicht als Bewerber registriert. Viele prominente Oppositionspolitiker sitzen im Arrest.

Während der Kundgebung funktionierte das Internet zeitweise nicht. Vereinzelt wurden kleine Plakate gezeigt, auf denen die Entscheidung der Wahlkommission kritisiert wurde.

Neues Verfahren gegen Nawalny eingeleitet

Das Moskauer Bürgermeisteramt bewilligte am Freitagabend zwei Kundgebungen für je 100 000 Teilnehmer am 10. und 11. August. Die Proteste richten sich auch gegen Behördenwillkür in Russland.

Die russische Justiz teilte unterdessen mit, erneut gegen Kremlkritiker Nawalny vorzugehen. Nach Angaben des Ermittlungskomitees ist gegen seinen Fonds zur Korruptionsbekämpfung ein Strafverfahren wegen Geldwäsche eingeleitet worden. Dabei gehe es um eine Summe von einer Million Rubel (13 700 Euro). Den Ermittlern liegen nach eigenen Angaben entsprechende Unterlagen vor. Der Fonds recherchiert zu Korruptionsfällen bekannter Politiker, unter anderem geht es dabei um Regierungschef Dmitri Medwedew. Die Ergebnisse fasst Nawalny auf seinem Blog zusammen.

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