Süddeutsche Zeitung

Proteste in Kiew:70.000 Ukrainer demonstrieren gegen Janukowitsch

"Wir lassen uns nicht unterkriegen": Zehntausende Anhänger der ukrainischen Opposition protestieren in der Hauptstadt gegen Präsident Janukowitsch. Inzwischen hat auch die CDU den Ton gegenüber der ukrainischen Regierung verschärft.

In der ukrainischen Hauptstadt Kiew haben am Sonntag zehntausende Anhänger der Opposition gegen die Staatsführung protestiert. Oppositionsführer Vitali Klitschko und der Aktivist Dmitro Bulatow forderten die etwa 70.000 Regierungsgegner auf dem Unabhängigkeitsplatz zum Durchhalten auf.

Bulatow, der nach eigenen Angaben verschleppt und gefoltert worden war, richtete sich per Telefon an die Demonstranten in Kiew. "Wir habe nicht die Absicht, uns zu ergeben", sagt er unter dem Beifall der Menge. Bulatow wird derzeit in Litauen im Krankenhaus behandelt. Klitschko rief zu einem einstündigen Generalstreik am kommenden Donnerstag auf. "Wir lassen uns nicht unterkriegen. Wir werden unseren Kampf fortsetzen", sagte er. Der Boxweltmeister forderte die Regierungsgegner auf, sich im ganzen Land zu Bürgerwehren zusammenzuschließen.

Das Zentrum Kiews wird seit 80 Tagen von prowestlichen Demonstranten belagert. Anlass der Massenproteste war die Entscheidung von Präsident Viktor Janukowitsch, ein über Jahre mit der Europäischen Union ausgehandeltes Assoziierungs- und Freihandelsabkommen nicht zu unterzeichnen - und stattdessen eine engere Anbindung an Russland zu verfolgen.

Konflikt zwischen EU und USA

Nach Angaben des einflussreichen Unternehmers und Oppositionsabgeordneten Petro Poroschenko wurden inzwischen 392 Demonstranten aus dem Gefängnis entlassen, 49 weitere würden wegen der gewaltsamen Zusammenstöße mit der Polizei noch festgehalten.

Die EU und die US-Regierung treten in dem Konflikt als Vermittler auf. Nachdem eine abfällige Bemerkung der US-Europabeauftragten Nuland über die EU für diplomatische Verstimmungen sorgte, waren beide Seiten am Wochenende darum bemüht, die Wogen zu glätten. Die EU und die USA verfolgten in der Ukraine "absolut die gleichen Ziele", sagte Kanzlerin Merkel am Samstag nach Abschluss der CDU-Vorstandsklausur in Erfurt. Sie rief zu einem einheitlichen Auftreten "im Sinne der Menschen in der Ukraine" auf. "Wir stehen auf der Seite der Menschen, die für sich eine demokratische Lösung einfordern", sagte sie. Wenn es in Nuancen Unterschiede gebe, "müssen wir offen darüber reden".

CDU verschärft den Ton

Nuland hatte in einem Telefonat mit dem US-Botschafter in Kiew, Geoffrey Pyatt, über die Rolle der Europäer in der Ukraine-Krise "Fuck the EU" gesagt. Das Telefonat war am Donnerstag auf der Videoplattform Youtube aufgetaucht. Merkels Sprecherin hatte die Äußerungen als "absolut unakzeptabel" kritisiert. Die US-Regierung betonte unterdessen, der Vorfall lasse keine tiefe Kluft zwischen den USA und der EU in der Ukraine-Politik erkennen. Washington arbeite "eng" mit der EU zusammen, sagte Außenamtssprecherin Psaki am Freitag. Die USA vermuten, dass Russland hinter dem Leck steckt.

Die CDU hat inzwischen ihre Tonlage gegenüber der ukrainischen Regierung erheblich verschärft. "Sollte die ukrainische Führung elementare Bürgerrechte weiterhin verweigern, werden wir uns dafür einsetzen, dass die internationale Staatengemeinschaft personenbezogene Sanktionen gegen die Unterdrücker beschließt", heißt es in einer vom CDU-Bundesvorstand am Wochenende in Erfurt beschlossenen Resolution. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel betonte aber, dass man derzeit noch auf Verhandlungen für eine Lösung in der Ukraine setze.

Vergangene Woche hatte bereits Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) der Regierung in Kiew mit Sanktionen gedroht, sollte sie sich im Streit mit der Opposition einer politischen Lösung weiterhin verweigern. Das gemeinsame Angebot der EU und der USA, die Ukraine mit kurzfristigen Hilfen zu unterstützen und damit vor einem Staatsbankrott zu bewahren, wird vom CDU-Bundesvorstand begrüßt. "Im Gegenzug erwarten wir von der Kiewer Regierung Reformen, die die Menscherechte sichern und die Wirtschaft des Landes beleben", heißt es in dem Papier. Ziel müsse es sein, dass die Ukraine sowohl zur EU als auch zu Russland gute und enge Beziehungen pflegen könne.

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