Wie wird Peking nun reagieren? Aus Sicht der KP-Führung muss es so aussehen, als brenne es im Moment überall an den Rändern des Reiches: in Xinjiang, in Tibet und nun auch in Hongkong. Polizeigewalt, Repression und Nachrichten-Sperren sind die Antwort Pekings in den beiden Westprovinzen. Aber Hongkong ist anders. Hier steht eine hochgebildete, international vernetzte Mittelschicht auf den Straßen, die noch immer Rückhalt hat in den Universitäten und in manchen Medien. Staats- und Parteichef Xi Jinping verlangt von den Hongkongern, sie müssten chinesische Patrioten sein. Bei einem harten Vorgehen verlöre er endgültig allen Respekt und alles Vertrauen der Menschen in Hongkong.
Und die Regierungen des Westens? Die schauen lieber noch weg, obwohl sie sich eigentlich fragen müssten, wie es um die Vertrauenswürdigkeit einer Regierung und ihrer internationalen Verträge bestellt ist, wenn diese ihre Versprechen so eklatant bricht wie China im Falle Hongkongs. Käme es zu wirklicher Gewalt, dann wäre es wohl vorbei mit dem Wegschauen, Peking ginge ein Risiko ein.
Xi könnte jedes Zugehen auf die Hongkonger als Schwäche werten
Die große Frage ist, ob das den KP-Führern nicht egal ist. Weil sie weniger nach außen schauen als nach innen. Xi Jinping hat sich bislang allen Herausforderern der KP-Linie gegenüber als kompromissloser Hardliner erwiesen. Unter anderem mit seiner Anti-Korruptions-Kampagne hat er sich zu Hause Gegner geschaffen, die nur darauf warten, dass er Schwäche zeigt. Zu befürchten ist, dass Xi jedes Zugehen auf die Hongkonger, jedes Verhandeln, als eben solche Schwäche empfindet. Auch weil er Nachahmer im eigenen Lande fürchtet, weil sich das Beispiel Hongkongs als ansteckend erweisen könnte. Xi Jinping ist in einem Dilemma.
Dabei gäbe es Wege. Er könnte erst einmal seinen Hongkonger Statthalter, den unfähigen Leung Chun-ying, entlassen. Er könnte mit Zurückhaltung und kleinen Zugeständnissen die Proteste versanden lassen. Anders als Pekings Propaganda behauptet, sind die Hongkonger Demonstranten nämlich nicht radikal. Sie sind auch nicht naiv. Viele wären mit kleinen Schritten zufrieden. Was sie so empört, ist, dass die Regierung sie bislang komplett ignoriert und brüskiert hat.
Xi Jinping und seine Genossen müssten über ihre eigenen Schatten springen. Sie sollten genau lauschen, was in Hongkongs Straßen gesprochen wird. Ein viel gehörter Satz ist der hier: "Dies ist erst der Anfang."