Proteste in der Ukraine:Parlament in Kiew entscheidet über Misstrauensantrag

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Die Ukraine steht vor der nächsten Zerreißprobe. Die Abgeordneten in der Rada sollen über einen Misstrauensantrag der Opposition abstimmen. Aber die Machtverhältnisse im Parlament sind schwer einzuschätzen.

Im Streit um den außenpolitischen Kurs der Ukraine will die Opposition in Kiew die Regierung durch ein Misstrauensvotum zu Fall bringen. Unterstützt von Zehntausenden Demonstranten rief der Oppositionspolitiker und Boxweltmeister Vitali Klitschko vor der Parlamentsabstimmung am Dienstag zu einem Machtwechsel in der früheren Sowjetrepublik auf.

Seit knapp zwei Wochen protestieren die Menschen in zahlreichen ukrainischen Städten gegen die Entscheidung von Präsident Viktor Janukowitsch, die mit der EU vereinbarte Annäherung zu stoppen und sich in Richtung Russland zu orientieren. "Wir wollen nicht nur irgendwelche Minister auswechseln, sondern das politische System ändern", sagte Klitschko.

Besonders Regierungschef Mykola Asarow steht in der Kritik. Dem Vertrauten von Präsident Janukowitsch droht am Dienstag bei der Vertrauensabstimmung im Parlament die Abwahl. Derzeit sind die Machtverhältnisse in der Werchowna Rada unklar. Die Opposition ist zersplittert. Entscheidend dürfte sein, wie die als regierungsnah geltende Fraktion der Kommunisten abstimmt.

Pro-europäische Demonstranten in Kiew (Foto: dpa)

Westen fordert Einhalten des Rechts auf Meinungsfreiheit

Die USA zeigten sich besorgt über die jüngsten Ausschreitungen in Kiew. Die ukrainische Regierung müsse sicherstellen, dass jeder Bürger im Land die Möglichkeit erhalte, seine Meinung zum außenpolitischen Kurs des Landes zu äußern, sagte Regierungssprecher Jay Carney in Washington. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon rief alle Seiten zu einem Gewaltverzicht auf. Zudem forderte er nach Angaben seines Sprechers die Regierung in Kiew auf, das Recht auf freie Meinungsäußerung und das Recht auf friedliche Demonstrationen zu schützen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte die Führung in Kiew vor Gewalt gegen friedliche Demonstranten. Sie forderte Janukowitsch auf, "alles zu tun, um die freie Meinungsäußerung und das Recht auf friedliche Demonstrationen stets zu schützen". Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, Elmar Brok (CDU), warf Janukowitsch vor, Russland und Europa gegeneinander ausspielen zu wollen. "Ihm geht es nur darum, wo er das meiste Geld erhält. Der ukrainische Präsident ist unzuverlässig, er hat sein Wort nicht gehalten und betrügt das eigene Volk", sagte Brok der Schweriner Volkszeitung.

Am Wochenende war die Polizei in Kiew brutal gegen Demonstranten vorgegangen. Tausende Demonstranten hatten zuletzt das Regierungsviertel in Kiew mit Autos und Barrikaden blockiert und den Verkehr im Zentrum der Millionenmetropole lahmgelegt. Hunderte Oppositionsanhänger hielten weiter die Gewerkschaftszentrale und das Rathaus besetzt. Janukowitsch habe durch den brutalen Einsatz seiner Sondertruppen gegen Demonstranten den letzten Rückhalt in der Bevölkerung verloren, rief der frühere Innenminister Juri Luzenko auf dem Unabhängigkeitsplatz (Majdan) der Menge zu. Auch in weiteren Städten des Landes forderte die Opposition den Rücktritt der Führung, unter anderem wegen deren Abkehr von der EU zugunsten einer Annäherung an Russland.

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