Eine Revolution fällt nicht vom Himmel. Sie muss vorbereitet werden, klare Ziele haben und von starkem Beharrungswillen geprägt sein. So etwas hat die Welt vor zehn Jahren erlebt, als in Serbien der Gewaltherrscher Slobodan Milosevic gestürzt wurde. Fast das gleiche Szenario spielte sich in den vergangenen Wochen auch in Ägypten ab. Dort brachte eine breite Volksbewegung eine anscheinend alles überwachende Diktatur ins Wanken und zwang Staatschef Hosni Mubarak zum Rücktritt.
Als in Kairo die Demonstranten schwarze Fahnen mit einer erhobenen weißen Faust schwenkten und diese Bilder um die Welt gingen, da konnten einige junge Männer in Belgrad die Genugtuung kaum verbergen. Die geballte Faust ist das Logo der serbischen Widerstandsgruppe Otpor. Ägyptische Aktivisten der "Jugendbewegung 6. April" haben sich nach eigenen Angaben von serbischen Kollegen inspirieren lassen, die einst mit friedlichen Methoden dem Regime von Milosevic das Leben schwermachten.
Aus Otpor ist das Belgrader Zentrum für gewaltlose Aktionen hervorgegangen, eine Art Umsturz GmbH. Wer gegen Diktatoren und Populisten im eigenen Land protestieren will, der holt sich Ratschläge von Leuten wie Srdja Popovic, einem der führenden Köpfe des Zentrums. "Es stimmt, dass wir in den vergangenen Jahren Aktivisten aus Ägypten, Tunesien und Iran getroffen haben", sagt Popovic.
Die meisten Jugendbewegungen aus dem Nahen Osten und Nordafrika haben die Taktik von Otpor übernommen. Diese besteht darin, dass die Menschen sich hinter einer politischen Idee versammeln, nicht hinter einem Führer. Die Aktivisten müssen von einem friedlichen Machtwechsel überzeugt sein. Die Bewegung muss von Studenten getragen werden, weil diese über Facebook und andere Foren bestens vernetzt sind.
Der Otpor-Waschgang
Die Demonstranten sollten einen langen Atem haben und jeden Tag neue Aktionen lancieren, die das Regime auch lächerlich machen. Als vor der Wende in Serbien im Oktober 2000 Staatsmedien die Otpor-Aktivisten als Terroristen und Landesverräter bezeichneten, versammelten sich mehrere tausend Jugendliche vor Polizeistationen, um sich bedingungslos zu ergeben. Man verspottete Milosevic auch mit einem Waschmittel-Werbespot, in dem sein Konterfei als hartnäckiger Fleck auf einem T-Shirt dargestellt wurde. Erst nach einem Otpor-Waschgang wurde der Stoff sauber.
Die Erfahrungen im Kampf gegen Milosevic teilen die ehemaligen Otpor-Gründer mit vielen Organisationen weltweit. Dazu beigetragen habe auch der Film "Bringing Down a Dictator" des US-Regisseurs Steve York über die serbische Revolution, erklärt Popovic. Der Streifen wird von Kuba über Libyen bis Birma vertrieben - meistens illegal.
Popovic schätzt, dass der Film weltweit bisher von etwa 25 Millionen Menschen gesehen wurde. Beliebt ist auch das Buch "Gewaltloser Kampf in 50 Schritten", eine von Otpor-Führern verfasste Anleitung zum Regimewechsel, die von unzähligen jungen Revolutionären im Nahen Osten gratis aus dem Internet heruntergeladen wurde.
"Diese jungen Leute mit den komischen Fahnen"
Otpor wurde 1998 als Studentenorganisation gegründet und war eine Antwort auf die Unterjochung der Universitäten und die Hetzjagd auf Professoren, die sich für Demokratie und Reformen einsetzten. Nach dem Sturz Milosevics gingen einige Aktivisten in die Politik, andere blieben Weltverbesserer und wurden im November 2003 über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Damals drangen Mitglieder der georgischen Bewegung Kmara ("Genug") mit einer Otpor-Fahne in das Parlament in Tiflis ein und vertrieben Staatschef Eduard Schewardnadse vom Rednerpult.
Später sagte Schewardnadse, er habe diese jungen Leute mit komischen Fahnen ignoriert: "Das war ein großer Fehler." Vor dem Sturz hatten Kmara-Aktivisten Seminare über die "Dramaturgie der Straße" besucht, die ein Otpor-Mitglied veranstaltet hatte. In Tiflis hatten die Serben einen guten Draht zum US-Botschafter Richard Miles, der in den neunziger Jahren als Missionschef in Belgrad die Anti-Milosevic-Proteste unterstützt hatte.
Für eine Revolution braucht man aber nicht nur gute Beziehungen, sondern auch Geld. Als wichtigster Unterstützer der Revolutionäre gilt der amerikanische Milliardär George Soros mit seiner Stiftung "Open Society". Die Bewegung Kmara soll eine halbe Million Dollar erhalten haben. Spiritus Rector der Facebook-Revolutionäre ist der US-Professor Gene Sharp, dessen Hauptwerk "Von der Diktatur zur Demokratie" mittlerweile in 28 Sprachen übersetzt wurde.
Nach der unblutigen Wende in Georgien zog die Karawane der kreativen Umstürzler nach Kiew, um die ukrainische Jugendbewegung Pora zu beraten. Sie versuchte, durch zivilen Ungehorsam einen Wahlbetrug zu Gunsten des damaligen Kandidaten Viktor Janukowitsch zu vereiteln. Mit Erfolg. Nun fiebern die Otpor-Gründer den Ereignissen in Libyen, Jemen und Bahrain entgegen.